Andere Mütter

Andere Mütter sind längst wieder schlank. Sie haben in der Schwangerschaft nämlich vorbildlich gegessen. Viel Vollkorn. Viel Milchprodukte. Einmal die Woche rotes Fleisch, einmal Fisch und ganz, ganz wenig Fett. Und nur Olivenöl und so und keine Butter.

Ab dem Tag der Geburt haben sie Beckenbodengymnastik gemacht und dann ganz konsequent trainiert. Einmal die Woche Yoga, einmal Pilates und einmal machen sie bei diesem Mordprogramm mit, das Lauf, Mama, Lauf heißt und bei dem es um Fitness mit Kinderwagen geht. Sie wiegen jetzt wieder so viel wie vor der Schwangerschaft. Ihr Kind hatten sie auch beim Sport immer dabei. Dieses Kind wurde sechs Monate voll gestillt, wird jetzt teilgestillt und isst ansonsten gesunden Brei, den sie ausschließlich selbst kochen.

Andere Mütter fördern ihre Kinder und fahren mit ihnen zum PEKiP, zum Babyschwimmen und zu Kursen, durch die Kindern überaus musikalisch werden und später genauso gut englisch wie deutsch sprechen. Sie haben eine enge, aber nicht zu enge Beziehung zu ihren Kindern, die nachts seit dem sechsten Monat im eigenen Zimmer schlafen.

Ab und zu treffen die anderen Mütter mich auf der Straße und grinsen mich herausfordernd an.

Ich persönlich wiege heute noch acht Kilo mehr als früher. Ich habe in der Schwangerschaft nämlich fast ausschließlich (und das ist keine literarische Übertreibung) Finger Food gegessen, das bei den unzähligen Besprechungen gereicht wurde, an denen ich teilnehmen musste, weil im Büro gerade besonders viel los war. Abends habe ich immer versucht, bei dem Thai-Imbiss schräg gegenüber noch was zu essen zu kaufen, der um elf dicht macht. Leider habe ich es öfter nicht geschafft als geschafft.

Was fast noch beunruhigender ist als die acht Kilo: Es wird nicht mal tendenziell weniger. Ich esse nämlich einfach zu gern. Und ich mache ungern Sport. Ich wüsste auch nicht wann. Ich arbeite zu viel und ich trinke gern Wein, und wenn ich mal einen Abend etwas weniger esse, dann schlage ich am nächsten Tag wieder über die Stränge. Meinem Sohn geht es im Übrigen nicht anders: Zuerst wurde er teilweise gestillt und teilweise mit Fläschchen ernährt. Jetzt ist er zehn Monate alt und isst ungeheure Mengen von eigentlich allem, was er bekommt. Am liebsten isst er Pfannkuchen. Spaghetti Bolognese ist auch nicht schlecht. Im Ergebnis habe ich das schwerste Kind von allen.

Nachts schläft der Kleine immer noch bei uns. Um ehrlich zu sein, schläft er sogar bei uns im Bett in der Mitte. Der kleine Kerl ist nämlich hochmanipulativ und schläft zur Durchsetzung seines Ziels „dauerhafter Gemeinschaftsschlaf“ nur dann durch, wenn mindestens ein Elternteil in dauerhafter Tuchfühlung bleibt.

An Elternkursen habe ich auch nicht teilgenommen. Und ab Januar geht der F. den ganzen Tag in die Kita. Die anderen Mütter singen in der Zeit, in der mein Kleiner in der Kita sitzt, vermutlich mit ihren Kindern, lesen Bilderbücher vor und treiben Sport, aber ich, tja.

Da werden die anderen Mütter wohl noch etwas grinsen.

19 Gedanken zu „Andere Mütter

  1. Solche anderen Mütter gips zum Glück nich. Und solche, die das behaupten oder zur Schau stellen, sind am allerwenigsten so. Bei denen sind Sie bloß nicht dabei, wenn die gerade ihre Kinder anschreien oder einen Heulanfall haben. Aber egal wie toll oder doof die alle sind, was nützt das – völlig irrelevant. Entscheidend ist doch allein, dass man sein eigenes Ding in den Griff bekommt (gänzlich unabhängig von Vergleichen mit angeblichen Superstars oder zum Glück noch größeren Hängern). Und das ist mal wirklich wichtig. Jedenfalls aber so, dass man sich wohl fühlt und mit sich im Reinen ist, einigermaßen zumindest, als Grundrauschen. Ich finde mit Ihnen, dass das immer wieder sauverdammtschwer ist (nicht nur, aber auch, was Essen, nachgeburtliche Figur etc. betrifft). Ich zum Bleistift esse auch sauverdammt gern. Und viel. Und das macht mich glücklich und deshalb kann es nicht schädlich sein und ich bin verdammt nochmal nicht bereit, darauf zu verzichten. Aber es kostet wie alles einen Preis. Am ehesten kann ich den in Sport bezahlen. Letztlich ist der sich-selbst-eklig-Finden-Preis nämlich doch höher. Das mit dem Sport tut zwar weh, aber der Schmerz nimmt wirklich wirklich erstaunlich wirklich nach erstaunlich kurzer Zeit erstaunlicherweise ab. Weh tutet es immer noch und jedes Mal. Aber danach fühlt man sich nach einer Mischung aus schweißig-stolz-müde und lebendig, herrlich. Das Schwierigste ist der Anfang und einen Trott zu finden, bei dem man nicht mehr darüber nachdenkt, ob man nun die Wahl hat oder nicht. Am besten eine feste Verabredung, wo einer in der Kälte wartet, wenn man nicht zum Laufen kommt oder so. Beim Laufen helfen übrigens auch Hörbücher im Ohr, am besten was Spannendes. Ich als alter Lauf-Hasser hab schon mal ne Extra-Runde gedreht, weil ich wissen wollte, wie es ausgeht. Vielleicht haben Sie ja ne Methode, die für Sie besser passt. Aber es gilt, die zu finden und sich dann über fröhliche grinsende Mütter zu freuen. Die Kummernummer schieben giltet nich! Viel Glück!

  2. Ich dachte, der kleine Mann wäre ausgezogen. Ich erinnere mich deshalb, weil ich das Wort „Auszugsschmerzen“ so wunderbar treffend fand.

    Zum Thema „andere Mütter“: grinsen Sie. Die Mamis haben in Sportkursen, Musikgarten & Co nämlich nichts zu lachen. Da ist spaßfreie Zone. Also, grinsen, essen und leben Sie – richtig so!

  3. das steht in den agb`s:
    echte eltern(mutter)schaft gibt`s nur für den preis eines (furchtbar lästigen) immer wieder mal spürbaren schlechten gewissens.
    .
    zum glück treten sie als team an.
    da kann man die ambivalenzen und ängste teilen.
    .. in dubio pro gefühl.
    .
    wie ich las, folgen sie bereits dem grundsatz: zu dritt im bett.
    wie schön!
    im ersten jahr.

  4. Vermutlich verbieten „die anderen Mütter“ ihren Männern, das Kind auch nur anzufassen und sprechen ihnen diesbezüglich jede Kompetenz ab, machen ihnen aber gleichzeitig Vorwürfe, sie kümmerten sich nicht um die Famile, und sind auch sont hochneurotische Nervensägen, die dann, nachdem Monsieur sich zuerst in die Arbeit und dann in ein neue Beziehung stürzte, alleinerziehende Mutter, was nur dann so richtig witzig ist, wenn man die ohne Ehevertrag verheiratete Gattin eines Zahnarztes mit ausschließlich Privatpatienten war, die rechtzeitig alle notwendigen Schritte zur Dokumentation der Vermögenslage unternommen hat.
    Sind Sie so eine? Also.
    Nur mit dem Schlafen, da sollten Sie was tun. Eltern dürfen ihre Kinder lieben, aber sie sind nicht ihre Sklaven. Das Bett sollte Ihnen (beiden) möglichst bald wieder alleine gehören. Was ist denn, wenn die Milch für die Nacht einfach einen Löffel mehr Pulver bekommt als laut Rezept? Bei uns war das der Löffel für Papis Schlaf, hat super funktioniert. 6h waren so recht oft drin.

  5. REPLY:

    Warum sollte in Punkto Schlafen etwas getan werden, wenn alle sich damit wohlfühlen? Das ist doch auch etwas, dass jede Familie für sich entscheiden muss. Wir z. B. möchten momentan gar nicht alleine schlafen. Das kommt noch früh genug und wir sind alle sehr entspannt damit. Einen Löffel mehr Milch kann funktionieren, kann aber auch nur zu fiesen Bauchschmerzen führen. Nur weil man das Familienschalfzimmer gutheißt muss man sich nicht gleich zum Sklaven seines Kindes machen. Da gehört wesentlich mehr dazu.

    Ist es nicht gerade das Tolle an Familien, dass jede anders tickt und einen eigenen Weg findet?

  6. Herrje, so sind sie, die Frauen. Sie schätzen sich untereinander ab und treiben einen Wettbewerb, den ansonsten kein menschliches Wesen versteht. Hat der F. sich beschwert? Ich glaub es nicht, der fühlt sich sauwohl. Hat der J. sich beschwert? (Er wird sich sich hüten, aber heimlich findet er die 7,5 von den 8 Kilo einfach super.)

  7. REPLY:

    Ach ja, er schlief ja schon im eigene Bett. Aber dann schlief er mal nicht gut, ich war ein paar tage spät daheim und nahm ihn auch nicht ungern zu mir, und nun hat er sich wieder daran gewöhnt, dass er zwischen uns schläft. Er kuschelt sich dann so gern an, dass ich mich fast schlecht fühle, wenn ich ihn im eigenen Bett schlafen lasse, denn man tut den Kindern ja langfristig keinen Gefallen. Ich habe ein etwas schlechtes Gewissen, aber zum Verbannen reicht es halt auch nicht. Außerdem kommt auch noch Bequemlichkeit dazu: Bei uns schläft er von abends um acht bis morgens um neun durch.

  8. REPLY:

    F. braucht eigentlich kein Extrafläschchen. Der schläft sehr gut. Er will aber nachts unsere Nähe, wenn er kurz erwacht, dann schläft er, ohne uns zu wecken, wieder ein. Nur wenn er auswärts schläft, bekommt er Angst und weckt uns.

  9. REPLY:

    Der F. wird nicht Berater. Der wird Professor für Alte Geschichte. Oder Stehgeiger. Oder er eröffnet eine Buchhandlung, in der er nur verkauft, was er mag, und in die nur ab und zu ein paar Freunde kommen. Oder Konditor. Oder Zirkusartist. Eigentlich ist mir das aber egal. Ich denke nicht soweit, ich finde diese Instrumentalisierung des Kleinkindalters, in dem alles, was ein Kind hat oder tut, immer irgendwohin führen muss, unangenehm. Als reiche es nicht aus, hier und jetzt einen schönen Sonntagabend zu haben.

  10. REPLY:

    Allerdings, Her Savall, muss ich gestehen, dass ich die Wettbewerbe der Herren Männer auch nicht verstehe.

    Was den F. angeht, so beschwert der sic natürlich nicht. Dem geht es prächtig, der ist weit und breit für sein unkompliziertes und heiteres Wesen bekannt. Ich gratuliere mir dann immer selbst und wundere mich ein bißchen. Ich bin ganz und gar nicht unkompliziert. Und erst der geschätzte Gefährte … Vermutlich eine spontane Mutation.

  11. REPLY:

    Gut schlafen lernt man unter anderem auch durch Nähe von Mama und Papa. Sie tun dem kleinen Mann also sehr wohl einen Gefallen. Er wird ausziehen und durchschlafen, wenn er sich alleine sicher fühlt. Und das kommt schneller als Sie denken. Bei uns ist es soweit. Wir wecken die Maus. Sie hat mehr Ruhe ohne uns und kommt morgens einfach zu uns gelaufen (ich frage mich täglich, wer das Baby gegen dieses große Kind ausgetauscht hat!).

  12. REPLY:

    Prima, das klingt doch gut! Aber Geduld haben, keinesfalls danach auf die Waage oder sowas, um zu checken, was es „gebracht“ hat. Darum geht es nicht, jedenfalls nicht gleich, das dauert und wenn man auf was wartet, scheint es doch immer nicht voran zu gehen. Es geht um sich-Wohlfühlen, sich fit und lebendig fühlen, einen Bewegungsrhythmus finden und den Schweinehund mit der Zeit jedenfalls ein bisschen kleiner werden lassen, eine Regelmäßigkeit reinbringen über lange Zeit (und Nebenfolge: mit (noch) mehr Freude essen, finde ich!). Und das bringt dann irgendwann was, nicht unbedingt so Messbares, wahrscheinlich aber doch auch. Das wünsch ich Ihnen! Und ich red so daher, als sei ich voll der Sportler – bin ich mitnichten. Nur nach vieljähriger faulheitsbedingter Sportpause und zwei Kindern doch wieder aufgerafft und nach anfänglicher scheußlicher Selbstbemitleiderei inzwischen Freude dran gefunden und festgestellt, wieviel das zum Gesamtbefinden beiträgt.

  13. ich habe zwei sehr schlechte nachrichten: 1) das gewicht reduzieren geht nur mit sport UND weniger essen 2) das reduzierte gewicht halten geht nur mit sport UND weniger essen. den sport kann man jedoch weglassen, wenn man DEUTLICH weniger isst.

    ich konnte früher mal essen, als wenn es kein morgen gäbe, ab einem gewissen alter sind die zeiten vorbei. nach der geburt des inzwischen drei jahre alten zwerges habe ich allein durch väterliche „resteverwertung“ (kinder lassen ja gern mal was stehen) 3 kilo zugenommen und mein essverhalten insgesamt etwas schleifen lassen. trotz eines nicht unerheblichen krafttrainings (bei dem sicherlich auch mal ein kilo fett zu einem kilo muskeln wurde) habe ich für die lächerlichen 3 kilo mehr als ein jahr gebraucht und befinde mich noch immer in der stabilisierungsphase …

    p.s.: das essverahlten von müttern in der schwangerschaft und kindern nach der geburt ist – im statischen regelfall – direkt proportional (daher wahrscheinlich der gute appetit des nachwuchses), das ist inzwischen ja durchaus wissenschaftlich belegt. fast alle körperlichen anlagen und gesundheitstendenzen des menschen werden in der schwangerschaft auf kiel gelegt.

  14. Es war einmal…

    …eine perfekte Mutter…
    Das hatte ich auch immer geglaubt. Aber nach außen sieht das immer anders aus, als es wirklich ist.

    Stellen Sie sich umgekehrt vor, wie diese Mütter z. B. denken: „Ja, die Frau Modeste, ja, die geht wieder arbeiten und sitzt nicht zu Hause den ganzen Tag mit dem Kind. Und dann genießt sie das Leben auch noch in voll Zügen, ohne sich nur um Äußerlichkeiten zu scheren. Sie trinkt Wein, isst gut außerhalb und traut sich einfach, einen Babysitter zu nehmen, um mit ihrem Mann in Ruhe einen Abend zu zweit zu genießen. Und außerdem ist ihr kleiner F. ist so süß und ruhig – nicht so quengelig wie meines…“

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