Nachdem das AG Tiergarten ein Urteil in Sachen Falsche Verdächtigung gegen Frau Lohfink gefällt hat, geifert das Internet. Manche Männer haben immer schon gewusst, dass Frauen aus schierem Männerhass Vergewaltigungen erfinden. Manche Frauen meinen, dass es Frau Lohfink zum Verhängnis geworden sei, dass sie freizügig auftritt. An der Vergewaltigung hat man hier keinen Zweifel.
Die misogynen Männer interessieren mich nicht. Das ist nicht mein Teil des Internets, das sind Leute, deren schlechter Laune und deren Menschenhass ich nach Möglichkeit ausweichen will. Das Misstrauen gegenüber der Strafjustiz, das in diversen Artikeln von Unterstützerinnen der Frau Lohfink aufscheint, teile ich aber auch nicht.
Zunächst: Ich glaube nicht, dass es Frau Lohfink zum Nachteil gereicht hat, dass sie sexuell aggressiv auftritt. Ich glaube aber, dass die Annahme, die Justiz sei gegenüber freizügigen Frauen ungerecht, vielen Unterstützerinnen den Blick auf die Fakten verstellt. Hier greift offenbar eine Art Überkompensation: Weil es Menschen gibt, die nur „sittsamen“ Frauen sexuelle Selbstbestimmung zugestehen, möchten manche Andere Frauen mit einer offensiv geäußerten Sexualität um so mehr glauben. Das dürfte aber zu ebenso schrägen Ergebnissen führen wie das Gegenteil. Es klingt banal, aber man sollte allen Äußerungen gleich viel Glaubwürdigkeit beimessen, egal, ob sie von Ministern, Metzgern, Prostituierten oder Bischöfen stammen. Und auch wenn es schwer fällt: Man sollte Frau Lohfink ebenso offen oder skeptisch gegenüber stehen wie den beiden Männern, um die es auch geht.
Gemessen an diesem Maßstab sieht es bei Frau Lohfink nun nicht gut aus. Es gibt offenbar weit mehr Videomaterial als die wenigen Sekunden, auf die sich die Vergewaltigungsthese stützt. Diese scheinen den Eindruck sexueller Gewalt nicht zu vermitteln. Auch die offenbar wenige Tage später aufgesuchte Frauenärztin hat ja – entgegen Frau Lohfinks früherer Aussage – keine Gewaltanzeichen gefunden. Wenn in dieser Situation keine physische Gewalt ausgeübt wurde und alles einvernehmlich aussieht, dann kann es natürlich immer noch sein, dass die Gewalt vorher, in Gestalt einer Intoxikation, ausgeübt wurde. Nun hat der Gutachter hierfür keinen Hinweis in Frau Lohfinks Verhalten gefunden. Ihre Unterstützerinnen wenden nun ein, es gebe Substanzen, bei denen Willenlosigkeit eintrete bei anscheinend fröhlichem, aufgekratzten Auftreten und gesteuertem Verhalten inklusive einem Telefonat. Ich verstehe nichts von Drogen. Aber wenn ein Gutachter nichts feststellen kann: Soll ein Gericht denn auf die schiere abstrakte Existenz solcher Substanzen hin verurteilen? Ohne den geringsten Anhaltspunkt, dass diese Droge zum Einsatz gekommen ist? Das erscheint mir reichlich fernliegend.
Gehen wir nun davon aus, dass weder körperliche Gewalt im Spiel war noch Drogen, so wird es schon eng. Angst könnte aber noch eine Rolle spielen. Nach allem, was man weiß, hatte Frau Lohfink aber keine Angst vor den beiden Männern. Ansonsten hätte sie möglicherweise zwar nicht erkennen lassen, dass ihr die Situation unangenehm war. Sie wäre aber vermutlich nicht länger geblieben, als unbedingt nötig, um unbehelligt die Wohnung zu verlassen. Und sie hätte einem Mann, der ihr Angst macht, weder erneute Treffen offeriert noch liebevolle Nachrichten geschickt.
Dem begegnen Frau Lohfinks Unterstützerinnen mit dem Argument, sexuelle Gewalt sei vielgestaltig. Das glaube ich auch. Ich glaube aber auch, dass die Justiz, um Fehlurteile zu vermeiden, das Verhalten von Beschuldigten und Zeugen auf seine wahrscheinlichen und naheliegenden Motive hin bewerten muss. Und naheliegend ist es eben nicht, dass eine Frau, die aus lauter Angst Geschlechtsverkehr duldet, sich danach verhält, als sei dieser einvernehmlich verlaufen.
Ist eine Vergewaltigung damit weniger wahrscheinlich, als dass keine Vergewaltigung stattgefunden hat, so können die beiden Männer nicht für diese verurteilt werden, sondern nur für die unerlaubte Verbreitung des Filmmaterials. In dieser Beziehung scheint es auch nicht so zu sein, dass einer – wie Frau Wizorek schreibt – nicht belangt würde, sondern der eine geht (wie eben auch Frau Lohfink) gegen einen zuvor ergangenen Strafbefehl vor, der andere hat ihn akzeptiert. Frau Lohfink muss auch nicht deswegen mehr zahlen, weil das Gericht die falsche Verdächtigung verwerflicher finden würde, als die Verbreitung des Filmmaterials. Die Strafjustiz verhängt Tagessätze. Wie hoch ein Tagessatz ist, hängt vom Einkommen ab. Schließlich treffen eine arme Friseurin 300 EURO härter als eine gutverdienende Notarin, die 300 EURO vermutlich gar nicht bemerkt. Frau Lohfink wurde also zu 80 Tagessätzen verurteilt. Der Mann, der seinen Strafbefehl bereits akzeptiert hat, muss 90 Tagessätze zahlen. Das Gericht sah dies also durchaus als schwereren Verstoß an, nur verdient er eben kaum etwas.
Ich kann an dem Urteil entsprechend nichts Verwerfliches finden. Der Geschehensverlauf, den das Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, finde ich deutlich wahrscheinlicher als die Version, die Frau Lohfink vorträgt. Was ich aber wirklich ärgerlich finde: Mit dem Lamento, so ein Urteil zeige, dass man Vergewaltigungen nicht anzeigen könne, schadet man denjenigen, die vergewaltigt worden sind. Wenn sich von den Klagen über die angeblich arme Frau Lohfink nun jemand abhalten lässt, zur Polizei zu gehen, dann hätte die ganze Diskussion eine Konsequenz, die sich niemand von uns wünschen sollte.
Danke für diese klaren Worte einer Juristin, die die (bekannten) Fakten noch einmal kurz beleuchtet und bewertet. Ich wünschte mir mehr Sachlichkeit und mehr sachliche Beiträge in dieser Diskussion.
Ich mir auch, aber es ist Thema, das für viele einen hohen Symbolcharakter hat. Da wird es schwer mit Sachlichkeit.
Herzlichen Dank, wie es scheint, kommen die einzigen sinnvollen Kommentare zu diesem Fall tatsächlich von Juristinnen oder Juristen.
Ich finde es etwas ärgerlich, dass viele Journalisten ihre Texte nicht auf leicht zu berichtigende juristische Unrichtigkeiten abklopfen lassen. Das sind offene Flanken, die man nicht bieten muss.
Danke!
Ich finde den Artikel von Monika Frommel dazu ziemlich hilfreich: https://www.novo-argumente.com/artikel/nein_heisst_nein_und_der_fall_lohfink
Wenn ich das richtig lese, diente die Vergewaltigungsanzeige auch dazu, etwas in Bewegung zu setzen, weil die online gestellten Videos nicht entfernt wurden.
Ich bin immer noch nicht so ganz sicher, ob bei der Betrachtung des vollständigen Videomaterials nicht auch das Urteil „Och, die ist hart im Nehmen“ eine Rolle spielte. Oder das diese berühmte dünne Linie ist zwischen tatsächlichem Übergriff und überwältigtem Verhalten. Sich in die überwältigt-plattgemachte Position zu begeben, kann in dieser Hinsicht auch Teil des Spiels sein. Oder eben nicht.
Wenn die Spielpartner einer sich mit groooßen Schlüssel-Reizen inszenierenden Frau recht einfach gestrickte Macho-Männchen sind, sieht Sex zwischen denen halt so aus und ist keine Räucherstäbchen-Fell vor dem Kamin-Kuschelorgie.
Ich frage mich aber, ob die Justiz überhaupt über so etwas befinden kann, ohne das eigene Wertesystem einzubeziehen.
Für mich sind das nach wie vor zwei sich gegenseitig benutzende PR-Kampagnen.
Ich finde den Ausweg „kann ich hinterher immer noch anzeigen“ wesentlich einfältiger, als die klare Ermächtigung „in welche Situationen begebe ich mich und wie komme ich, wenns blöd läuft, schnell wieder raus“.
Was das Videomaterial angeht, so geht es ja nicht um Kategorien wie „freundlich“ oder „sanft“. Mangelnder Respekt ist nicht strafbar, und für die hohe Schwelle zur Strafbarkeit hat es eben nicht gereicht.
„Mangelnder Respekt ist nicht strafbar“ und nicht durch Gesetze zu regeln. Wahre Worte.
Das könnte man in so manche feministische Debatte einwerfen.
Vielleicht siehst Du Dir das Video einmal an. Es ist (leider) auffindbar im Netz. „Nein“, „Hör auf“… wenn das einvernehmlicher Sex ist, dann weiß ich nicht, wo die Grenze zu nicht einvernehmlichem verlaufen soll.
Maßgeblich ist der Gesamteindruck, und der ist offenbar ein anderer. Das Gericht hat auf dieser Grundlage ja auch festgestellt, dass diese Äußerungen sich auf das Filmen beziehen.
Gerechtigkeit ist eine moralische Instanz und keine juristische … das zeigt sich bei solch emotional aufgeladenen Prozessen (wie aktuell in Köln bei den „Raserprozessen“) immer wieder. Da ist es doch gut, dass die Hürden für die Befähigung zum Richteramt recht hoch sind. Wir, das gemeine Volk, bekommen über die Presse nunmal nur Häppchen serviert und nicht das große Ganze, über das letztendlich nur die Richter und nicht wir entscheiden müssen. Ich verlinke hier noch auf Herrn Vetter, der als Strafrechtler das ganze ähnlich sieht: https://www.lawblog.de/index.php/archives/2016/08/22/die-helfer-einer-luegnerin/.
Ich würde mich mit der miesen Qualität des Gerichtsjournalismus nicht abfinden wollen. Da wird oft mit falschen Fakten Meinung gemacht, der oben verzinkte Artikel von Anne Wizorek ist da nur ein besonders markantes Beispiel für jemanden, die offenbar nicht mal einen Juristen fragt, weil sie der Ansicht ist, sie habe auch ohne Sachkenntnis raus, wie hier der Hase läuft. Das führt dann zu Kurzschlüssen wie der Meinung, die Strafzumessung für Frau Lohfink sei schwerer als bei dem bereits rechtskräftigen Strafbefehl ggü dem einen der beiden Männer. Der Artikel enthält noch einiges mehr an ärgerlichen Fehlschlüssen und falschen Behauptungen. So etwas bringt mich auf. Menschen bilden sich ihre Meinung anhand solcher Artikel, dann sollten die Fakten doch zumindest stimmen.
Sexuelle Gewalt ist sehr subtil, auch wenn man keine äußeren Anzeichen findet, die Angst des Opfers zu benutzen und sich ein Einverständnis herbeizureden ist typisch für manche Männer.
Ich habe den Prozess nicht verfolgt, aber bedaure das das sehr wichtige Thema „Nein heißt Nein“, was ich vorbehaltlos unterstütze, ausgerechnet am Beispiel dieser Frau diskutiert wird. Für meinen Geschmack senden ihre blondierten Haare, der Kunstbusen, die Tattoos etc. die falschen Signale an die falschen Männer, die das dann schamlos und respektlos ausnutzen.
Jede Frau sollte sich darüber im Klaren sein, was ihre erotisierte Aufmachung aussagt. Auch in unserer liberalen Gesellschaft.
Ich meine, ein Mensch verdient auch dann Respekt, wenn er nackt bis auf ein Paar Netzstrümpfe auf dem Ku’damm spazieren geht. Man hat die Wohlfühlgrenzen anderer zu respektieren. Gleichzeitig senden Männer wie Frauen mit ihrer Kleidung natürlich Signale. Wer signalisiert: Ich bin ein mächtiger Mann im Anzug mit einer teuren Uhr, wird automatisch anders behandelt als eine Frau, die signalisiert, dass sie begehrt werden möchte. Dass muss einem klar sein, schließlich ist auch dies Kommunikation. Eine Entschuldigung, die selbstgesteckten Grenzen einer Person zu überschreiten, lässt sich hieraus aber nicht ableiten.
Ich bin verwirrt. Kann es sein, daß hier 2 Prozesse durcheinandergewürfelt werden.
Prozess 1: Meines Wissens wurden 2 Männer wegen Vergwaltigung und weiteren Dingen angeklagt. Der Vorwurf wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung wurde von der Staatsanwaltschaft während des Prozesse fallen gelassen, warum auch immer. Die Männer wurden auch nicht wegen Vergewaltigung und/oder sexueller Nötigung verurteilt. Die Männer erhielten Strafen wegen widerrechtlicher Verbreitung von Videoaufnahmen. Frau L. erhielt einen Strafbefehl wegen falscher Verdächtigung.
Es wurde von niemandem Rechtsmittel gegen das Urteil gegen die beiden Männer eingelegt.
Prozess 2: Fau L. legt Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Juristisch hatte es keine Vergewältigung oder sexuelle Nötigung gegeben. Die Frage in diesem Prozess müßte also lauten: Hatte Frau L. die beiden Männer angezeigt, weil sie glaubte vergewaltigt worden zu sein, oder nur um den beiden Männern zu Schaden. Fazit 1: Die Antwort des Gerichts lautet: Nur um den beiden Männern zu schaden.
Fazit 2: Ohne den Strafbefehl wäre der ganze Hype ausgeblieben.
Das ist so nicht ganz zutreffend:
Es gab auf Betreiben von Frau Lohfink zwei Strafbefehle wegen der unerlaubten Verbreitung der Filme. Der eine Mann hat diesen Strafbefehl (90 TS) akzeptiert. Der andere hat Einspruch eingelegt. Dieses Verfahren läuft.
Frau Lohfink hat einige Tage nach dem Vorfall behauptet, sie sei vergewaltigt worden. Die StA hat die Vorwürfe geprüft und keine Anklage erhoben, nachdem sie sich auf Basis ihre Ermittlungen überzeugt hatte, dass Frau Lohfinks Beschuldigungen unzutreffend waren.
Da die StA überzeugt ist, dass Frau Lohfink gelogen hat (und sich eben nicht geirrt hatte), als sie die Vergewaltigungsvorwürfe erhob, beantragte sie einen Strafbefehl, der auch erging. Frau Lohfink erhob hiergegen Einspruch. Auf diesen Einspruch hin kam es zu dem Verfahren vorm AG Tiergarten, das die staatsanwaltliche Einschätzung bestätigte. Die Frage, ob Frau Lohfink, wie sie behauptet hatte, vergewaltigt worden ist, war hier nur inzident zu prüfen, weil eine falsche Verdächtigung natürlich nur dann vorliegen kann, wenn die Straftat, die der Täter wissentlich vorspiegelt, tatsächlich eben nicht stattgefunden hat.
Ihren Nachsatz zum Strafbefehl habe ich nicht verstanden. Natürlich hätte das ganze Verfahren vorm AG Tiergarten nicht stattgefunden, wenn Frau Lohfink den Strafbefehl akzeptiert hätte. Oder meinen Sie etwas anderes?
Zuerst zum Nachsatz: Zur öffentlichen Empörung kam erst im 2. Prozess. Da wurde in der Öffentlichkeit von Vergewaltigung und sexuellen Mißbrauch geschrien, obwohl das Gericht dies verneint hatte. Den 1. Prozess haben nur wenige verfolgt.
Mir ging hauptsächlich um die Vermischung der beiden Prozesse. Obwohl die Staatsanwaltschaft die Vergewaltigung verneint hatte, wurde trotzig während des 2. Prozesses von der Öffentlichkeit das Gegenteil behauptet.
Und ansonsten, glaube ich, meinen wir beide das gleiche.