Sie sind kinderlos, Sie haben kleine Kinder, oder Sie sind durch mit der ganzen Sache und haben ganz große: Sie fahren im Januar nach Asien und im Herbst ans Mittelmeer. Sie sitzen in warmen Mainächten in Trastevere beim Wein und im September in Pacific Heights. Wenn Ihnen danach ist, stehen Sie im Februar zu Füßen der Prager Burg, es liegt Schnee und die Schatten sind so schwarz wie die Augen des Golem. Reisen kostet fast nichts.
Dann schwingt die böse Fee der Schulpflicht dreimal ihren Zauberstab und fortan ist alles anders: Im Winter können Sie nicht nach Asien oder Afrika, denn da haben Sie nur zwei Wochen Zeit und wenn Sie die voll ausnutzen, müssten Sie Ihren Erstgeborenen verkaufen, und den füttern Sie jetzt seit sieben Jahren, den behalten Sie jetzt. Über Ostern fahren Sie nach Griechenland oder Italien und frösteln ein bisschen im knallvollen Speisesaal zwischen lauter anderen Familien mit erstaunlich lautem Nachwuchs. Im Sommer bereisen Sie ausführlich Nordeuropa, eine Gegend, bei der Sie sich schon ab und zu fragen, wieso die Menschheit sich eigentlich auch dort angesiedelt hat. Und in den Berliner Winterferien, dieser ersten Woche im Februar: Ja. Was machen Sie da?
Das nördliche Mittelmeer ist zu kalt. Frieren kann man auch in Berlin. Karibik, Asien: Nicht in einer Woche. Ägypten, Tunesien, Marokko an sich gern, aber die örtlichen Gepflogenheiten sind ein bisschen zu geräuschvoll, um erholsam zu sein, und außerdem verträgt nicht jeder das örtliche Essen. Irgendwann spricht einer es aus: Wieso nicht Kanaren. Ja, wieso nicht.
Tatsächlich stellen Sie sich die Kanaren ungefähr so unterhaltsam vor wie ein Wochenende in Bottrop. Sie finden die spanische Küche fad, Sehenswürdigkeiten gibt es offenbar keine, bis auf Natur, und Sie sind der an Natur vermutlich am wenigsten interessierte Mensch südlich des Nordpols und können sich in dieser Beziehung nichts merken, wirklich gar nichts, höchstens Störche oder so.
Weil Sie sich von einer Freundin überreden lassen, buchen Sie am Ende dann doch. Teneriffa, eine Woche. In einem Riesenhotel, das die Freundin ausgesucht hat. Außerhalb eines Ortes. Das Hotel sieht aus wie eine ganze Stadt und verströmt auf Fotos den Charme einer 5-Sterne-Dystopie. Als zwei Wochen vor Abreise die Freundin verkündet, sie komme krankheitsbedingt nun doch nicht mit, sind Sie kaum überrascht: Sie haben auch keine Lust. Leider sind Sie zu gesund, um auch abzusagen, und ihren Sohn tödlich zu enttäuschen.
Drei Tage vor Abreise schauen Sie ins Internet. Das Hotel ist nicht nur teuer, sondern offenbar auch quasi nichts inklusive, nicht mal die Sauna oder ein Kinderclub oder so. Es gibt auch keine Buffets, was ohne Kinder super wäre und mit Kind eher so lala. Sie überlegen ganz kurz, einfach alles verfallen zu lassen, Hotel, Flug, ach, auch egal. Und dann packen Sie, fluchen leise und fahren los.
Und da sitzen Sie nun: Es ist 22:19 Uhr. Sie sind unterwegs. Ihr Kind malt Bilder, auf denen Drachen Ritter zerfleischen, und Sie fragen sich:
Wieso. Das. Ihnen.