Absenz

Über diese Geschichte im befreundeten Kreise kann man nicht schreiben, denn die Hauptperson liest mit und hat sich’s verbeten. Über jenen familiären Vorfall nur aufs Verlogen-Vorteilhafteste, und dann macht’s keinen Spaß. Nicht einmal über sich selbst kann man schreiben, denn bald fragen jene, denen man es schuldet, glücklich zu sein, mit nur leicht gezügeltem Unmut, was nicht stimmt.

Fest gezogen sind die Stricke von Höflichkeit und freundschaftlicher Diskretion. Enger noch das Korsett des Tages, in dem wenig, weniger, ach: kaum noch Zeit bleibt für all das, was angenehm ist, leicht, ziel- und zwecklos.

Vielleicht später wieder, denkst du dir, und weißt doch, dass es vorbei ist. Vielleicht woanders, vielleicht nie wieder, vielleicht nur noch für dich daheim.

Vielleicht auch erst einmal vier Wochen.

31 Gedanken zu „Absenz

  1. Schade, Sie werden uns fehlen. Alles Gute Ihnen – und lassen Sie sich bloß nicht von dem Korsett die Luft abschnüren, das geht auf Dauer nie gut.

    Und kommen Sie uns wenigstens ab und an besuchen, da können Sie dann schreiben, was Sie wollen.

  2. Ach verehrte, arme Madame Modeste. Das kommt einem bekannt vor und mitfühlend kann ich meine eigene Erkenntnis offenbaren: Menschen mögen es nicht wenn über sie allzu detailiert geschrieben wird. Wenn ich da z. B. an den Schweinehaxenfresser denke, den sie vor einiger Zeit so treffend sezierten. Aber diese Unverfrorenheit wird einem sukzessive ausgetrieben, als real-life Blogger. Zwischenzeitlich rette ich mich persönlich sogar schon in die Mathematik, um intime Details zu umgehen. Und dann kommen andere Leser der ersten Stunde und fragen, warum schreibst du nicht mehr über G?
    Weil sie es nicht wollen, obwohl sie ja auch, bei allem Respekt vor informeller Selbstbestimmtheit, Teil der eigenen Biografie sind.
    Ich habe sogar schon Ärger bekommen, weil ich einem auf meinem Blog zum Geburtstag gratuliert habe. Von der Marderfallenkrise ganz zu schweigen…

    Ich hoffe Sie treten aus ihrer selbstgewählten vierwöchigen Klausur gestärkt hervor.

  3. REPLY:

    Aus gutem Grund halte ich die Adresse meines Blogs im Freundes- und Bekanntenkreis geheim und nenne allenfalls mein Zweitblog, denn da gibt es nur Bilder zu gucken. Unlängst stieß ich gerade wieder einmal jemanden vor den Kopf, weil ich seine hartnäckigen Nachfragen überging.

  4. Mit dem Geheimhalten habe ich es am Anfang auch gehalten. Doch dann wurde ich bei festlichem Beisammensein von eben jenem Leser der ersten Stunde geoutet. Seitdem sitzt mir die Zensur im Genick.
    Allerdings schreibe ich unter meinem Realnamen und bin über Google auch recherchierbar. Vor kurzem ist einer durch die Suchanfrage nach meinem Klarnamen auf dem Blog gelandet. Das könnte ein ehemaliger Bekannter sein, oder aber, weitaus schlimmer, das verhasste Arbeitsamt, denn so nebenbei ist mein Blog auch noch ein Hartz IV Blog. Manchmal schwant mir, dass ich mit dem Blog so eine Eigendynamik in die Welt gesetzt habe, die zwar interessant ist, aber sehr nachteilige Ergebnisse zeitigen könnte. Auf jeden Fall war ich aufgrund von Leserinterventionen, wie sie Modeste beklagenswert beschreibt als Verlogen-Vorteilhaft auch schon so weit, dass ich das mit dem Blog sein lassen wollte. Aber man hat da ein lebendes System ins Netz gestellt, das der Anteilnahme heischt und ständig gefüttert werden will.

  5. Warum

    hat das Rueckrat ausgedient, versteckt man sich hinter den genannten Zwängen und macht nicht einfach sein Ding. Ich bin was ich bin, ich denke was ich denke und zuer Hölle noch mal ich schreibe und sage was ich will. Wem es nicht passt , der passt mir nicht. So einfach kann das sein und warum wird daraus ein Problem kreiert ?

  6. REPLY:

    Das Problem ist, dass wir uns in sozialen Netzwerken bewegen. Man kann völlig allein existieren, ich habe das auch schon getan in meiner Berliner Zeit, aber es liest einem dann auch niemand. Man ist ständig auf sich selbst zurückgeworfen. Völlige Einsamkeit ist eine der härtesten Erfahrungen, die es gibt. Es ist, als brülle man Wände an.
    Mit Rückgrat hat das wenig zu tun. Eher mit Rücksicht. Sobald ich über Menschen schreibe, mit denen ich zusammenlebe, gerne zusammenlebe, bin ich dazu gezwungen, mich um ihr Feedback zu kümmern und dann kann ich nicht mehr über alles schreiben, was ich will. Das ist ernüchternd, aber auch rechtlich sind uns Literaten da die Hände gebunden. Maxim Biller konnte sein letztes Buch einstampfen, genau aus diesem Grund. Und ich selbst musste den Namen einer Schönen aus meinem Blog entfernen, weil mich die Betreffende darum gebeten hat. Obwohl ich sie liebend erwähnt habe. Aber Persönlichkeitsrechten ist das egal.

  7. Mensch, reissen Sie sich fei bloß zamm, liebe Frau Modeste. Ich hab mich selber so lange vermissen müssen, da kann ich jetzt nicht auch noch nach Ihnen Sehnsucht kriegen. Aber gut, Urlaub ist okay. Haben Sie´s schön.

  8. Vielleicht ist es ganz einfach Zeit für ein Buch. Ein Eigenes. „Der Untergang des Modestschen Reiches aufgrund sozialer Umstände“ (Titel wird durch die Wunschliste der Modeste angeregt, in der erstaunlich viel untergeht). Wobei ich etwas Heiteres bevorzugen würde.

  9. Anarchie und Doppelleben

    Verehrte Modeste,

    Ich würde Ihre Beiträge sehr vermissen und empfehle Ihnen daher, sich einfach eine neue Identität zuzulegen. Es wird zwar eine Weile dauern, bis wir Sie wieder aufgestöbert haben, aber dann haben Sie eine Lesergemeinde, der Sie alles zumuten können.

    Mit besten Grüßen,

    QuiBono

  10. REPLY:

    Au ja, die Idee finde ich klasse. Dann begeben wir uns alle in aller Heimlichkeit auf die Suche. Der Stil ist ja zum Glück unverkennbar.
    Wie hört sich Melancholie Mussorgsky an?

  11. REPLY:

    Wie humorlos und pikierbar ist diese Welt?!
    Meine Verwandtschaft und mein unmittelbarer Freundeskreis kennt und liest mein
    Blog und goutiert eher die verstreuten Anekdoten und Seitenhiebe….

  12. bitte nicht, frau modeste! ich hatte mein altblog geschlossen, weil mir 1. eine freundschaft gekündigt wurde auf grund dreier sehr zutreffender worte über einen freund/leser und 2. der verflossene manchmal zehnmal am tag schaute, was es bei mir neues gab.
    aber so ohne machte es keinen spaß. scheinbar hab ich meine mitmenschen erzogen. die freunde wissen nicht von mir vom neuen blog und können mich daher auch nicht ansprechen darauf. der derzeitige liebste ist lesefaul. gott sei dank.

  13. Nachdem bei mir inzwischen selbst die Schwiegereltern mitlesen, kann ich Ihre Überlegungen sehr gut nachvollziehen. Je mehr das soziale Geflecht aus der Kohlenstoffwelt in diese Silikonsphäre hineinragt, desto eingeengter sind die erzählerischen und thematischen Spielräume.

    Da ich ziemlich sicher bin, dass es Ihnen mit diesem Eintrag nicht darum zu tun ist, „bitte, bitte, weiterbloggen“-Kommentare einzuheimsen, verkneife ich mir derartige Appelle. Sie hätten meinen Respekt auch dann sicher, wenn Sie sagten, so Leute, das wars, vielen Dank – und kommen Sie gut nach Hause.

    Aber schade wärs schon.

  14. dass nicht-mehr-bloggen das neue bloggen ist, halte ich für eine modeerscheinung. ich mag mode ja, aber trotzdem werde ich diese zigarettenhosen nicht tragen. entsprechend erwarten ich von Ihnen, Frau Modeste, etwas konservativität!

  15. REPLY:
    dieser ton…

    Ob das zum gewünschten Ergebnis führt? Vielleicht hilft da besser:
    Liebe Frau Madame Modeste, wir vermissen Sie und Ihre Beiträge wirklich sehr! Bitte kommen Sie zurück und erfreuen uns mit Ihren Worten! (Naja, einen Versuch ist es wert…)

  16. Kleine Siege des freien Wortes

    Da hab ich mal wieder einen Artikel durch die Zensur durchbekommen, der jetzt trotzalledem der Zensurbehörde, meinem Vermieter, schwer im Magen liegt. Er will mich jetzt sogar los haben, diesen Blogger, der in alles seine Nase steckt und den er den Publizisten nennt. Auf einmal soll ich wieder nach Berlin gehen.
    http://soralis.twoday.net/stories/3583430/
    Wenn das die Berufsgenossenschaft sieht, so der Originalkommentar. Ich glaube, dass die Berufgenossenschaft besseres zu tun hat, als auf meinem Blog vorbeizusurfen. Paranoia ist ansteckend, auch wenn ich gerade mal 12000 Page Impressions auf meinem kleinen Blog vereinige. Nachdem ich dem Artikel zuerst die Überschrift „End of a car“ gegeben hatte, hat es ihn so gewurmt, dass er sich lieber von der Autowerkstatt das Fell über die Ohren ziehen ließ, als das Ende von seinem Auto auf meinem Blog vermerkt zu wissen. Hat mich persönlich nichts gekostet, ich habe es halt in „Crisis of a Car“ umbenannt. Aber das Bild dieser gigiesken Rampe ist nach wie vor im Blog. Manchmal schwant mir, dass ich ein Buch allenfalls posthum veröffentlichen kann.

  17. Ach nein, schon über zwei Wochen nichts Neues. Und da soll ich dann noch einmal knapp zwei warten, um weitere Ihrer wunderbaren Geschichten zu lesen? Ich wünsche mir, dass es bald weiter geht!

  18. es tut mir sehr leid

    um eines der kurzweiligsten und spannendsten blogs da herinnen.
    das „du weißt doch, dass es vorbei ist“ lässt mich das nämlich so lesen, und ich hätte da sehr gerne unrecht!

  19. 4 wochen fast um

    der neunte waere dann der naechste mittwoch
    vielleicht gilt ja auch singapur-zeit, da ist es 6 stunden frueher soweit
    hoffentlich

  20. Erst jetzt erkenne ich die Tragweite des Geschriebenen und traurige Falten umspielen meine Augenbrauen. Mich würde es enorm freuen, wieder und weiterhin von Ihnen lesen zu können – wo und welchem Namen spielt keine Rolle. Ich selbst habe mich ja freiwillig einer privaten Zensur unterworfen, indem ich unter meinem wirklichen Namen schreibe, zumal ich weiß, dass diverse Menschen aus meinem Freundes-, Verwandten-, Bekannten- und auch dem Uni-Kreis bei mir lesen. Nicht nur deshalb lasse ich intimpersönliche Geschichten außen vor. Die sind meinen engen Vertrauten Aug in Aug vorbehalten. Ansonsten bietet sich ja auch immer noch die Chance der literarischen Metamorphose und heimlichen Anverwandlung privater Themen. Aber ich will hier nicht schlauschnackerisch dozieren, Madame, das wissen Sie alles auch selbst. Ich wünsche Ihnen nur das Beste und davon eine Menge, und ich hoffe, wir sehen und lesen einander wieder. In either of the ways…

  21. Nicht schreiben kommt immer besser als schreiben. Man wird rätselhaft und bleibt im Gespräch. Goethe praktiziert das seit seinem Tod mit unvergleichlichem Erfolg.

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