„So ein Quatsch!“, schüttele ich den Kopf. Mein Gegenüber wiegt sorgenvoll den Kopf. Man könne alles Mögliche falsch machen, so als Mutter, und dann hätte das Kind lebenslang einen Knacks. Also zu früh abgestillt, oder einmal zu viel negatives Feedback gegeben, und dann lebenslang Komplexe mit allem drum und dran. Ich weise das energisch zurück: Meiner Erfahrung nach ist die menschliche Spezies robuster als Kakerlaken und Ratten zusammen. Bis da einer wirklich Schaden nimmt, muss Einiges passieren.
Nehmen wir nur einmal die Ernährung. Als ich so circa fünf war, hielt man Kalte Platten für ein richtig gutes Essen. Oh, und erst die vielen Sonntag im Akropolis, weil wieder keiner Lust hatte, zu kochen. Die Nudeln mit Tomatensauce aus Tomatenmark mit Brühe. Die giftgrünen Granny Smith, tagelange Müsli-und-Brot-Diäten, weil meine Eltern gerade viel zu tun hatten, und das Jahr, in dem meine Mutter ein Aufbaustudium absolvierte, und zur Überbrückung der hierdurch bedingten Ernährungsschwierigkeiten eine wirklich hohe Kühltruhe Monat für Monat mit Fertigmahlzeiten von bofrost füllte. Nach dem Jahr und der damit verbundenen Prüfung kehrten wir zu einer halbwegs normalen Ernährung zurück. Schäden durch dieses nach aktuellen Maßstäben eher unkonventionelle Vorgehen? Ich kann mich nicht erinnern. Ich habe keinerlei Allergien, außer gegen Steinfrüchte. Ich bin verhältnismäßig gesund, wiege zumindest nach medizinischen (wenn auch nicht persönlichen) Maßstäben normal viel und esse meistens selbstgekocht, gut und halbwegs ausgewogen. Es scheint also nicht geschadet zu haben. Ebenso geht es den meisten meiner nachweislich nichtgestillten Freunde prächtig, trotz des Milchpulvers und der frühen Auswilderung aus den elterlichen Schlafzimmern ins Dunkel des Kinderzimmers, meistens schon als Säugling. Pekip war da auch noch nicht erfunden.
Mit negativem Feedback und fiesen Erziehungsmethoden sieht es ähnlich aus. Meine Familie hält insgesamt mit ihrer durchaus tendenziell eher kritischen Meinung über eigentlich alles selten hinterm Berg. Meine Grundschulzeit war unerfreulich. Von den negativen Folgen, die die aktuellen Erziehungswissenschaften mit schwarzer Pädagogik verbinden, insbesondere Unlust und Verweigerung, ist jedoch eigentlich nichts eingetreten. Für die meisten mir bekannten Generationsgenossen gilt dasselbe. Klar, man hätte sich als Schulkind weniger langweilen können, und nicht jeder Lehrer war an jedem Tag gerecht. Vermutlich hätte es einem diverse unangenehme Stunden erspart, wenn die Menschen um einen herum sich mehr bemüht hätten. Doch Schaden habe ich nicht erlitten: Man sagt ja, Kinder würden die Lust verlieren, wenn man sie scharf kritisiert und so entmutigt. Vermutlich überschätzt man damit grenzenlos den Einfluss, den Erziehung überhaupt hat. Man kann Kinder vermutlich durch überhaupt keine persönliche Kritik, sei sie, wie sie sei, davon abhalten, sich für irgendetwas zu begeistern. Menschen mögen nun einmal tolle Geschichten über Götter, Könige und Revolutionen, sie verfügen über einen grenzüberschreitenden Mitteilungsdrang, sie lieben die Üppigkeit der Musik und die strenge Schönheit der Mathematik und sie wollen alles wissen und erobern. Einfach nur so, ohne dass das was mit Lehrern zu tun hätte. Weil es geht, nicht weil jemand kommt, und es anregt.
Wahrscheinlich finden Pädagogen diesen Befund deprimierend, weil sie glauben, dass es ihre Arbeit entwertet. In Wirklichkeit ist wahrscheinlich noch nicht einmal das der Fall, weil es einen Eigenwert hat, Kindern die Tage zu verschönern, die sie Erwachsenen ausgeliefert sind. Auf jeden Fall aber ist diese Erkenntnis geeignet, Eltern zu beruhigen, denn offenbar sind Menschen unverwüstlich. Man soll zwar freundlich zu ihnen sein. Man soll sich so verhalten, dass sie schöne Tage haben, keinen Grund, sich zu beschweren, und natürlich sind Gerechtigkeit, Großzügigkeit und Humor auch gegenüber sehr kleinen Leuten Vorzüge, an die man sich an anstrengenden Tagen erinnern sollte. Doch sollte es einmal nicht hinhauen, sollte das Baby nachts so nerven, dass man es in ein anderes Zimmer legt und schlafen geht; nicht stillt, weil man keine Lust dazu hat oder eine Brustentzündung; das Kind einmal wochenlang aus der Pizzeria an der Ecke versorgt; hässliche Bilder als solche bezeichnet oder nur jede dritte Frage beantwortet: Dann muss man sich trotzdem keine Sorgen machen. Menschen sind nämlich nicht kleinzukriegen. Und Eltern – auch das beruhigt – nicht halb so wichtig, wie die meisten meinen.
Freitagmorgen. Ich steuere die Apotheke um die Ecke an. Meine Schilddrüsentabletten …? Ausverkauft. Leicht belämmert ziehe ich ab. Die letzte Tablette ist mir nämlich schon vorgestern ausgegangen, und wenn ich nicht spätestens heute eine Tablette bekomme, werde ich um zwölf müde, um drei depressiv und um sechs wächst mir ein Kropf. Also nicht direkt ins Büro, sondern zur nächsten Apotheke. Aber auch hier: Fehlanzeige.
In der dritten Apotheke geht mir ein Licht auf: Ich schiebe nicht einfach das Rezept auf den Tisch, sondern frage nach. Ein „wirkstoffgleiches Medikament“ ist das Zauberwort. Langsam und zögernd nickt die Frau auf der anderen Seite der Theke. Ja, da habe sie etwas da.
Ich bin begeistert. Die Odyssee ist zuende, der Tag kann beginnen, schon wühle ich in meiner Tasche nach Rezept und Portemonnaie. „Aber …“, setzt da die Apothekerin an, und ich schaue auf. Sie könne das nicht empfehlen, nickt sie mehrfach nachdrücklich, und ich starre sie verstört an. In den nächsten fünf Minuten ergießt sich auf mein verschlafenes Haupt eine Rede, ach was, ein Rundumschlag gegen meine naive Ansicht, identische Wirkstoffe würden auch dasselbe bewirken. Dass die Trägerstoffe eine gewisse Rolle spielen, leuchtet mir dabei sogar noch halbwegs ein. Dass ich aber Probleme wegen der unterschiedlichen Darreichungsform hätte, weil die einen Tabletten einen Spalt, die anderen aber keinen hätte, oder mich die unterschiedliche Farbe der Blisterpackung verwirrt: Das lasse ich dann doch nicht auf mir sitzen. Beharrlich verlange ich nach dem Medikament.
Jetzt wird die Apothekerin richtig wild. Die Politiker sind dran, denen die Patienten nämlich egal sind. Die denken nur ans Geld. Gespart wird auf Kosten der armen Leute, die dann reihenweise wegen verwechselter Pillenpackungen an Vergiftungen verenden. Dazu wisse jeder, der auf seinen Bauch hört, dass Medikament halt nicht Medikament sei, dass man nicht einfach das eine gegen das andere austauschen könne. Da sei nämlich mehr im Spiel, als die hohen Herren – irritierenderweise zeigt sie mit dem Finger tatsächlich nach oben, als tage der Bundestag seit Neuestem irgendwo in den Wolken über Berlin – so mitbekämen.
„Ja.“, antworte ich in sant beschwichtigendem Tonfall. Ich wolle es jetzt gleichwohl erst einmal versuchen. Unwillig dreht die Apothekerin sich schroff um stampft nach hinten hinter ihre Regale. Das Medikament wirft sie mir förmlich auf den Tresen. Doch noch gibt die Apothekerin nicht auf. Ob ich es schon einmal mit Globuli versucht hätte? Bei Schilddrüsenunterfunktionen sei das oft das Beste, besser als die ganze Chemie (kurz öffne ich den Mund, um ihn sofort wieder zu schließen), dabei hebt sie kurz ein Röhrchen hoch. Ich schüttele den Kopf.
Dass sie das Wechselgeld nicht vor mir auf den Boden schleudert, ist aber auch alles. Ich bekomme mein Medikament, mein Geld, dann dreht sie sich um und geht. Auch ich wende mich zur Tür. Im Verschwinden höre ich sie noch ein „Wiedersehen!“, ausstoßen, gefolgt von einem halblauten „Sie glauben der Pharmaindustrie aber auch alles!“.
Oje, denke ich wie immer im Raubtierhaus und sehe den Tigern zu, die in winzigen, gekachelten Badezimmern nicht unähnlichen Gehegen auf einer Art Regal liegen oder unruhig hin und her streichen. Naiv schimpfe ich mich im selben Atemzug, denn selbst im ökologischen Kuhstall haben die Rinder weniger Platz, und auch ein Hauskaninchen würde sich ein solches Verhältnis von verfügbarem Raum zur eigenen Körpergröße wünschen.
Das Bessere, schießt es mir in der nächsten Sekunde durch den Kopf, ist aber noch lange nicht gut, und wünsche dem Tiger auf dem kleinen Bänkchen nun doch von ganzem Herzen einen grünen Dschungel und eine herrliche Jagd auf echte, lebende Tiere. Doch ginge es – biegt der Gedankengang noch einmal um die Ecke – dem Tiger im Wald wirklich besser? Ersetze ich so nicht eine Vermenschlichung durch eine andere? Überhöhe ich nicht die Freiheit als ein im Kopfe des Tigers ganz und gar nicht existentes Konstrukt, und der Tiger fühlt sich nicht schlechter als meine Katze daheim in Sicherheit und Wärme bei gutem Essen und frischem Wasser?
Halbwegs versöhnt mit dem Schicksal des Tigers gemessen am Elend seiner wilden Vettern, zu denen bei Krankheit kein Tierarzt kommt, und die nicht selten hungrig bleiben, verlasse ich das Tigerhaus. Einen letzten Blick werfe ich in der Tür zurück, und für einen Moment sehe ich dem Tiger direkt in die Augen. Hilf mir hier raus, könnte er sagen. Oder auch: Komm, lauf davon. Vielleicht aber auch nur: So fremd sind wir uns wie entlegene Sterne.
Nein, sage ich. Wandern, Ruinenstädte. Tauchen, Skifahren: Alles ganz schön. Aber nicht das, was ich gerade suche. Mir wird schon ganz anders, wenn ich daran denke, mich in einem Bus durch Südostasien mit den beiden anderen Touristen und dem einzigen Einheimischen, der englisch kann, stundenlang über Islamismus und amerikanische Fernsehserien unterhalten zu müssen. Oder irgendwo nach dem nächsten Zug in die Hauptstadt zu fahnden, der möglichst so rechtzeitig kommt, dass ich meinen Rückflug noch erreiche. Auf der anderen Seite habe ich für die putzmuntere Aufgekratztheit eines Strandhotels in einem Badeort auch keine Nerven.
In einem gediegenen Hotel mit Brokatvorhängen und goldenen Posamenten: Wie anstrengend die vorsichtig genervten Blicke der anderen Gäste auf mein Kind. In einem kinderfreundlichen Hotel: Nicht auszuhalten, die quietschbunten Farben und die omnipräsenten Grinsebärchen. Mit anderen Frauen, die Kinder haben, auf einem Spielplatz sitzen und lange Gespräche über Kitaqualität und Mittagessen irgendwo auf der Welt zu führen, muss ich auch gerade nicht haben. Ich würde gern schweigen.
Irgendwo in einem dezent beleuchteten Raum auf einem sehr sauberen Laken liegen, leise Musik, vielleicht Bach oder Händel. tagsüber 22°, nachts 18°. Fisch, weißes Fleisch, feine, filigrane Speisen. Kein Kaffee, kein Alkohol, kein Knoblauch, überhaupt wenig Gewürze. Möglichst wenig Menschen sollten anwesend sein, vielleicht Roboter, wenn möglich. Aber nur, wenn die vollständig lautlos funktionieren und nicht etwa nervtötend piepsen. Die anderen Gäste, so es sie denn gibt, ebenfalls ruhig, leise Stimmen. Bademäntel in weiß oder cremefarben. Nachmittags ein bisschen Gebäck und grünen Tee. Schwachduftende Blüten. Keine Uhren, nur ein kleines, silbernes Glöckchen, das zu jeder vollen Stunde leise klingelt, damit man weiß, wann es Essen gibt. Die Mahlzeiten würde ich auf dem Zimmer einnehmen und das Tablett danach vor die Tür stellen, damit der Roboter nicht reinkommen muss.
Ich würde eigentlich überhaupt nichts machen, nur ein bisschen lesen. Natürlich nichts Aufregendes, vielleicht ein bisschen Lyrik. Rilke oder so. Keine Romane. Den größten Teil des Tages schaue ich aus dem Fenster auf den menschenleeren Strand und das Meer. Nachmittags ein schweigender Spaziergang, den F. an der Hand.
Freitag, kurz nach zehn, und die J. und ich stehen ratlos vor der Tür der Cantine Sant’Ambroeus. Der Wirt scheint aufzuräumen, öffnet dann doch noch für ein letztes Glas Wein, und so sitzen wir uns gegenüber, schmecken der Hitze vom vorletzten Jahr nach in einem Glas schwarz-rotem Sizilianer, der nach Kaffee schmeckt, nach heißem Stein und Kirschen, und sprechen über den Sommer. Den, der schon war, und alle, die noch kommen.
***
Der Samstag beginnt mit Fieber und Schüttelfrost, wenn auch nicht bei mir, so doch beim F. Der war in den letzten Monaten geradezu vorbildlich gesund, nur einen einzigen Tag zu erkältet, um in die Kita zu gehen, aber heute – immerhin nicht an einem schwer zu überbrückenden Werktag – liegt er lethargisch im Bett. Keine Verabredung mit zwei Kitakindern und kein Kindergeburtstag bei einer Freundin am Sonntag.
Zwei Stunden später immerhin hat er es bis aufs Sofa geschafft, trinkt warme Milch und hört Hörspiele, lässt sich vorlesen und beschreibt mit dem ganzen Körper, was er gestern im Aquarium gesehen hat. Lauter neue Worte kennt er, wie etwa „Flügelrochen“ oder „Hammerhai“, und als er abends einschläft, hat er die vorsorglich geholten Zäpfchen gar nicht gebraucht.
***
Der J. sitzt auf dem Sofa. Ich dagegen ziehe mich noch einmal an. Berlinale.
Das Delphi ist voller Spanier, wie Berlin ja überhaupt voller Spanier ist. Es läuft ein Film namens „Sueñan los androides“, der in verblichenen, ziemlich statischen Bildern von einem Replikantenjäger erzählt, der junge, sehr sympathische Replikanten im spanischen Benidorm erschießt. Vermutlich will der ebenfalls junge, ebenfalls sehr sympathische Regisseur mit dieser Meditation über den Roman von Philip K. Dick mit den elektrischen Schafen illustrieren, dass seiner Ansicht nach die junge Generation Spaniens im Dienste alter Menschen, die bizarren Schrott anbeten, schlecht behandelt werden.
Vielleicht hat er dies – oder etwas anderes – nach der Vorstellung sogar erzählt, leider war sein Englisch so schlecht, dass ich kein Wort verstanden habe.
In die Monkey Bar, die Mek und ich nach der Vorstellung aufsuchen wollten, sind wir dann am Ende gar nicht gegangen. Schlange zu lang. Keine Lust. Zu alt und zu müde zum Warten.
***
Am nächsten Morgen ist F. wieder halbwegs fit und bleibt mit Babysitter daheim. Der J. und ich laufen durch die Sonne zur Markthalle neun. Es gibt „Wurst und Bier„.
Mek, der J. und ich trinken ganz schnell viel zu viel Bier. Pale Ale, Pils, irgendwelche Phantasiebiere, schwarz, gold, hell: Am Ende purzelt mir alles warm und fröhlich durcheinander. Nur an den Gin Tonic erinnere ich mich gut, einen wahnsinnig guten Gin Tonic mit einem Tonicsirup von Libation. Die Wurst war auch gut, oh, und der Fisch von Glut und Späne.
***
Sonntag Abend ist die Welt immer noch in Ordnung. Ich war mit dem F. zumindest kurz draußen und mit der C. samt Kind kurz Kaffee trinken. Ich habe nicht zu viel gearbeitet. Ich liege auf dem Sofa und esse die Reste des Hühnerfrikassees von gestern. Es geht mir gut.
„Kommt ein Papagei …“, kommt der F. um die Ecke und grinst übers ganze, runde Gesicht. „Und dann?“. frage ich. „… zum Arzt!“, kreischt der F. auf, stampft vor Freude ein paarmal mit dem Fuß auf den Boden und biegt sich buchstäblich vor Lachen. Ich bin fasziniert: Dass jemand tatsächlich vor lauter Freude eine Art Verbeugung macht, mit den Armen rudert, fast hinfällt und sich dann geräuschvoll mit den flachen Händen auf die Schenkel schlägt: Das habe ich wirklich noch nie gesehen.
„Wie geht es weiter?“, frage ich den F., als er fertig gelacht hat. „Kommt ein Papagei …“, hebt er wieder an, und diesmal springt er so lange und so intensiv durch die Küche, dass er ausrutscht. Leicht belämmert sitzt er auf dem Parkett, steht langsam auf, klopft sich die Strumpfhose ab, und nach Witzen ist ihm die nächsten zehn Minuten nicht zumute.
Nach dem Mittagessen hilft er beim Backen und knetet hingebungsvoll in einer Schüssel Streusel. „Kommt ein Papagei zum Arzt.“, tippt er mich auf einmal wieder an den Arm. Mist, denke ich. Schon wieder ein T-Shirt schmutzig, denn an meinem schwarzen Ärmel hängen nun Butter und Mehl. „Sagt der Papagei …“, fährt der F. fort, und dann fängt er so laut an zu lachen, dass die Katze erwacht und sich um die Ecke ins Wohnzimmer schleicht. „… der Papagei!“, kreischt der F. derweilen, und dann steigt er auf einmal ganz schnell von seinem Hocker und läuft o-beinig ins Bad. An sich ist der F. nämlich schon so gut wie trocken. Aber wenn doch ein Papagei zum Arzt kommt, gibt es auch hier kein Halten mehr. Ich stelle die Küchenmaschine aus und laufe schnell hinterher. Verdammt: Das war die letzte Strumpfhose.
Abends im Bett lese ich vor. Der F. kuschelt sich ganz eng an mich und lässt sich von Gina Ruck-Pauquèts kleinem Zauberer erzählen, der seinen Zauberstock verliert. Der F. liebt den kleinen Zauberer und überhaupt das ganze Geschichtenbuch, und weil der kleine Zauberer am Ende der Geschichte mit seinem Zauberstab tanzt, muss auch der F., wenn schon nicht tanzen, so doch zumindest singen, und weil er vom Singen sehr lustig wird, unterbricht er mich und fängt wieder an. „Kommt ein Papagei …“. Dann lacht und strampelt er so wild, dass das Deckbett auf den Boden fällt, und ich kurzzeitig für den Deckenstuck fürchte.
Schließlich schläft der F. doch. Ein sanftes Lächeln umspielt seinen Mund. Ich ziehe die Decke über seine Brust. Hat er sich etwa bewegt? Im Schlaf greift sein Arm nach meiner Hand, und er flüstert ganz leise: „… zum Arzt.“
„Bitte nicht der G.!“, wehre ich ab, halb lachend und halb entsetzt. Doch nicht der G., erinnere ich mich an den stets gelassenen, lockigen Schulfreund, den souveränen Cellist des Schulorchesters, mit dem ich sommerlang im Kirschbaum saß, den süßen Saft in den Mundwinkeln, und verstrickt in Gespräche über Dinge, die so unendlich groß und tödlich wichtig sind, dass man sich nach dem 20. Geburtstag nie wieder traut, darüber zu sprechen.
In München und Jena hatte der G. studiert und sich dortselbst in eine K. verliebt, eine kurzhaarige Punkerin aus Magdeburg mit Ringen in der Nase und Tätowierungen quasi überall, und dann am Ende doch die L. geheiratet, eine Schweizer Musiklehrerin mit langen, glatten Haaren. Am Starnberger See hatten beide gewohnt, der G. war Arzt geworden in einer Klinik am Seeufer, und drei Kinder kamen in ordentlichen jeweils zweijährigen Abständen. Man renovierte sich ein Haus. Die L. postete veilchenfarbene Cupcakes und sorgfältig drapierte Obstschalen auf facebook. Es muss perfekt gewesen sein, und sterbenslangweilig dazu.
Der Mensch jedoch hält, wie man so sagt, Perfektion einfach nicht aus, und auch der G., stelle ich mir vor, muss sozusagen monatlich nervöser geworden sein. Die Rosen und Hortensien vorm Haus. Die hübschen, blonden Mädchen in karierten Kleidchen neben einer Milchkanne. Die zuckersüße Landschaft rund um den Starnberger See, geradezu strotzend vor Reichtum und Selbstzufriedenheit. Der G., glaube ich, bekam mit der Zeit von alledem so ein irres Summen im Kopf, nachts schwitzte er und träumte von schönen Punkerinnen mit Messern zwischen den Zähnen, und eines Tages brach er aus.
Nun ist ein Einfamilienhaus am Starnberger See ein Art Gefängnis der ganz eigenen Art, dem man deswegen auch nicht einfach so entkommt. Wäre der G. zum Beispiel einfach nach München gezogen, wäre das Gefängnis schließlich mitgekommen. Milchkannen vor der Tür und Karokleidchen und pastellige Törtchen kann man schließlich fast überall hinstellen. In London zum Beispiel. Sogar in Dubai. Und deswegen griff, denke ich mir, der G. zum sozusagen alleräußersten: Er begann ein Verhältnis mit seiner Nichte.
„Nichte“ hört sich nun schlimmer an als es ist. Also keine kleine Nichte von 15 oder so. Sondern eine große Nichte von 24. Die Älteste seiner Schwester, an die ich mich kaum erinnern kann, weil sie schon längst weg war, als der G. und ich im Kirschbaum saßen. Immerhin platzte mit dieser Nichtenangelegenheit neben dem Milchkannengefängnis auch gleich der Herkunftsfamilienkerker mit den Celli und Sonntagabendscharaden und dem gegenseitigen Zeitungsvorlesen von dem G. ab.
In glänzender Einsamkeit, unterstützt nur von einer Handvoll treuer Freunde, packte also der G. kurz vor Weihnachten seine Sachen und zog in ein skandinavisches Land, wo er nun als Arzt in einem anderen Krankenhaus wiederum als eine Art Single sein Leben fristet. Das Haus mit Rosen, Milchkannen und Karokindern bewohnt weiter die L.
Man habe sich, sagte man mir von dritter Seite, schon ziemlich gewundert, wie zufrieden der G. nun wirke, angesichts des ganzen Desasters. Schließlich sei nicht einmal die Nichte ihm geblieben, denn die studiere derzeit in England zuende. Ich aber, ich weiß, dass der G. im hohen, vermutlich eiskalten und stockdunklen Norden auf seinem Sofa sitzt, sein Bier in aller Seelenruhe trinkt, und aus allen Poren seines Lebens atmet es: Noch einmal entkommen.
Um Mitternacht stehe ich auf dem Balkon von M. und M. in Friedrichshain und hebe das Glas. Am nächsten Morgen fliegen wir los. Berlin. Abu Dhabi. Bangkok. Koh Samui. Und dann mit dem vor Müdigkeit schwankenden Kind an der Hand ins Taxi und an den Strand. Hell ist es hier, unglaublich hell. Unwirklich blau der Himmel über Chong Moen Beach, sehr sanft und sehr freundlich spülen die Tage wie warmes Wasser um meine Knöchel, und wenn ich morgens auf dem Hausboot erwache, freue ich mich Tag für Tag auf die sagenhaften Früchte, das Schattenspiel auf dem Sand und die Gekkos an den warmen Wänden.
Februar.
Lauter erste Male: Der F. feiert zum ersten Mal Kindergeburtstag mit den beiden Kindern von M. und M. und zwei Kindern, mit denen er sich im August in den ersten Kitawochen angefreundet hat. Es gibt Rührkuchen und Pizza und infernalischen Krach.
Es ist, denke ich, als die Kinder in unserem Wohnzimmer spielen, schon ein seltsames Ding mit der Freundschaft: Gemeinsame Interessen können es nicht sein, denn die Kinder haben eigentlich keine. Gleichklang der Temperamente? Aber wie haben sie das festgestellt? Doch wie auch immer: Als das Jahr zur Neige geht, werden die Kinder in der Kita interviewt und sollen ihre Freunde nennen. Der F. nennt diese beiden Freunde aus den ersten Kitatagen, die er, wenn er sie sieht, herzlich umarmt.
März.
Ich huste antizyklisch. Es wird Frühling, alles strömt nach draußen. Nur ich bleibe schwer erkältet und keuche wie ein altes Schaf. Mein Radius verengt sich auf zwei Kilometer. Morgens ins Büro. Abends nach Hause. Wenn der F. röchelnd neben mir einschläft, lese ich noch so circa drei Seiten, dann falle auch ich in einen mühsamen Erkältungsschlaf. An einem der drei Tage, an denen ich mich nicht fühle wie ein aufgeweichtes Taschentuch, probiere ich bei Frau Casino ihre Küchenmaschine aus, die mich so begeistert, dass ich sie auch kaufen muss. Den Rest des Jahres backe ich mindestens zweimal die Woche. Hefeteig ist mein persönliches Wort des Jahres.
April.
Wir haben jetzt ein Auto. Wir hatten noch nie ein Auto, deswegen fremdeln wir erst ein paar Wochen mit dem blauen Kombi, der so unpersönlich aussieht, dass wir ihm nicht einmal einen Namen geben. Das neue Auto ist wie Nutzvieh. Dann aber geben wir uns einen Ruck und fahren entschlossen in die Natur. Also ins Umland. Da waren wir nämlich die letzten 15 Jahre nicht, weil Berlin, wie man weiß, eigentlich gar kein richtiges Umland hat. Am Ende des Sommers werden wir fast 8.000 km gefahren haben und kennen sozusagen jeden angrenzenden Landkreis: Die Landschaft ist öde. Schön ist aber die Sonne, die Fülle von Grün, und inmitten von Wiesen, Butterblumen und treibenden Kähnen im Spreewald rundet sich der Frühling mit Mek und Sven K und ihren klugen, schönen Damen zu purem Gold.
Mai.
Dem Gold des Spreewalds fahren wir hinterher. Wir steigen mit M. und M. und der I. und dem S. auf die Burg Rabenstein und picknicken auf dem grünen Rasen. Wir bewundern die Greifvögel, wir essen Spargel in Beelitz, und wir wundern uns abends zu zweit im halbleeren Soya Cosplay am Gendarmenmarkt, warum wir das eigentlich nicht schon längs mal gemacht haben. Also mal so raus aus Berlin. Spätestens, als es wieder kalt wird, wissen wir das aber ganz genau.
Juni.
Sommerfest in der Kita. Das erste Kitajahr ist vorbei. Im Gras vor mir sitzt der F., staunt über den Zauberer, äußert Meinungen, Betrachtungen, Wünsche und isst das Mehrfache seiner Körperlänge in Bratwurst.
Woche für Woche wird jetzt irgendwo der Sommer gefeiert. Wir sitzen mit anderen Eltern, Freunden, Familie im Gras, gewinnen beim Dosenwerfen Tröten und Spardosen, und erholen uns abends zu zweit in Kreuzberg oder Friedrichshain an einer Bar mit Craft Beer, weil der J. mit Mek an einer selbstorganisierten ganzjährigen Bierstudie teilnimmt und unaufhörlich neue Biersorten ausprobieren muss. Viel zu selten dagegen sitze ich ohne den J. und den F. mit Freundinnen irgendwo beim Wein, im Liebling vielleicht oder in der Matreshka, und fühle mich dann wie auf einer Zeitreise zurück in ein Zeitalter, das ich mochte und von dem ich weiß, dass es schon wiederkommen wird, irgendwann.
Juli.
Wir grillen und schauen Fußball. Immerzu. Die verdammte Weltmeisterschaft, sie nimmt einfach kein Ende.
Wir sitzen zu sechst vorm Café Schönbrunn und zu acht auf der Dachterrasse von M. und M. und bei R. und I. am Kollwitzplatz. Wir sitzen im Pepe Nero, den F. immer dabei, der jetzt auch ein T-Shirt haben will, auf dem Schweinsteiger steht. Ich langweile mich mehr, als ich sagen kann, und als die ganze Angelegenheit sich dann Runde für Runde weiterschleppt, überlege ich ernsthaft, mit Meditationen zu beginnen, um spirituelle Reisen an irgendwelche fußballfreien Orte zu unternehmen. Kurz vor Umsetzung dieser Idee bricht der J. sich auch noch den Arm.
Dann geht die WM glücklicherweise doch noch zu Ende. Wir fahren kurz nach Ende des Spiels von der I. und dem S. in Grunewald heim, umgeben von glückselig taumelnden Berlinern, die auf dem Ku’damm Fahnen schwenken und lachen, als sei ihnen höchstpersönlich die Erlösung zuteil geworden.
August.
Ostsee. Im August sind wir fast jedes Wochenende an der Ostsee. Wir waren schon im Juni zwei Tage in Heiligendamm. Aber jetzt macht meine Mutter eine Kur auf Usedom, und wir fahren drei Tage nach Heringsdorf. Wir waren schon vor ein paar Jahren einmal in Ahlbeck. Das war damals eher so nicht mein Fall. Diesmal aber sitzen wir zu dritt – dann zu fünft mit meinen Eltern – am Strand, das Steigenberger Heringsdorf ist sehr okay, und trotz des Badebetriebs und der wirklich ziemlich merkwürdigen Leute zwischen Seebrücke und Minigolf geht es mir so gut, dass wir drei Wochen später gleich wieder fahren. Diesmal mit M. und M. und deren Kindern und nur für einen Tag und eine Nacht.
Leider bekommen wir nur noch im Seeschlösschen Zimmer. Die sind schrecklich nett zu uns. Auch der Spa ist okay, das Essen im Restaurant sogar sehr, sehr gut. Aber Kinder gibt es da nicht viele, und die meist älteren, recht gediegenen Gäste machen mit einem doch sichtbar gequälten Lächeln gute Miene zum lauten Spiel. Schön ist es trotzdem. Schön, aber ein bisschen kalt.
September.
Côte d’Azur. Diesmal mit Ferienhaus. Und Schwiegereltern. Ich fühle mich ein bisschen fremd in dieser Variante eines Urlaubs, der irgendwie nicht so richtig zu mir passt, wie die Schwiegereltern auch, die mit den besten Absichten von Tag zu Tag mehr an meinen Nerven sägen. Acht Tage, die sich anfühlen wie sechzehn. Erst, als sie weg sind, erneut: Das Glück. Das Meer. Das unvergleichliche Licht. Die Schluchten des Esterel. Essen und Wein, diesmal in Sainte Maxime, und nicht einmal das gebrochene Knie nach meiner Rückkehr nach Berlin kann den lächelnden Nachhall dieses späten Sommers ganz zerstören. In irgendeiner idealen Welt sitze ich immer noch da, in Trigance auf der Terrasse der Burg und esse einen Gang nach dem anderen.
Oktober.
ich bin beim Arzt. Andauernd und wochenlang. Eine Woche nach meinem Unfall kann ich wieder arbeiten, aber bis ich auch nur halbwegs wieder gehen kann, verstreichen lange, elende Wochen. Ich schleppe mich mit Taxen und Krücken bis ins Büro, sitze ansonsten bewegungslos auf dem Sofa und lese wie eine Besengte. Neben mir sitzt der freundliche, F. mit mehr Rücksicht, als einem Zweijährigen gut zu Gesicht steht, und ich bin ganz froh, als wir, als die Kita für eine Woche schließt, ihn auf einem bayerischen Bauernhof toben lassen können. Selig steht er im Kuhstall, jagt über die Wiese, isst Knödel, dass es nur so kracht und sitzt mit weit aufgerissenen Augen mit dem Bauern auf dem Traktor und kann sein Glück nicht fassen.
November.
Langsam wird meine Welt wieder größer. Ich backe Brot mit dem F. und bastele mit ihm Bilder mit Fischen. Mitte November gehe ich ohne Krücken die normalerweise 20 Minuten bis zum Puppentheater mit ihm, brauche fast 45 Minuten und komme erschöpft, aber triumphierend an. Er sitzt mit roten Ohren aufgeregt wie bei jedem Besuch neben mir, fiebert mit, fährt zusammen, wenn das Krokodil kommt und feuert den Kasperle lautstark an. Ich kann auch wieder in Restaurants, nachdem ich mein Bein wieder bis ca. 45 Grad beugen kann, treffe Freundinnen und freue mich, als ich am letzten Arbeitstag im November die zwei Kilometer bis ins Büro laufen kann.
Dezember.
So viel Weihnachten war selten. Der F. spricht vom ersten Advent an über kaum etwas anderes als seine Geschenke, den Weihnachtsmann, die Aufführung, bei der er in der Kita mitwirken soll, und fabuliert über Bäume, Bärte, Säcke, und Kekse, dass es schier ein Wunder ist, dass all das nicht allein durch des F. heißes Begehren aus der leeren Luft vor ihm ersteht.
Ich bastele also, backe Kekse, knete Stollen und kaufe ein. Immerzu finden Weihnachtsfeiern statt. Gar kein Ende nimmt dieses Weihnachtsfeiern, spätestens Mitte Dezember arbeite ich vor lauter Terminen vorwiegend nachts, andauernd kommen Weihnachtsmänner und stimmen Lieder an, und nur ein Wesen von der unendlichen Begeisterungsfähigkeit des F. ist am Heiligen Abend selber immer noch einer emotionalen Steigerung fähig. Mit runden Augen bestaunt der F. in Sankt Bartholomäus das Krippenspiel und jubelt praktisch ununterbrochen bis Silvester weiter.
Um Mitternacht stehe ich auf dem Balkon von M. und M. in Friedrichshain und hebe das Glas. Willkommen 2015.
Auf dem Heimweg vom Kindergottesdienst sieht der F. ihn sofort: Der Weihnachtsmann selbst schreitet entschlossenen Schrittes die Straße entlang, den Sack auf dem Rücken und vorschriftsgemäß gewandet in einen roten Mantel. Der weiße Bart ist leicht verrutscht.
„Weihnachtsmann!“, ruft er ihn und läuft ihm entgegen, dass die Pudelmütze ihm fast vom Kopfe fliegt. „Ho, ho, kleiner Mann!“, antwortet der Weihnachtsmann. „Warst du schon bei uns?“, frage ich eilig, und der Weihnachtsmann sieht mich freundlich an. „Wie heißt du denn, mein Kleiner?“, wendet der Weihnachtsmann sich wieder an den F. Da sei er schon gewesen, nickt er, als der F. seinen Namen herausgewürgt hat, und wendet sich dann wieder zum Gehen. Auf dem Weg zu denen, die ihn wirklich gebeten oder bestellt haben, dreht er sich noch einmal um und winkt dem F. verschwörerisch zu.
„Er war schon da“, strahlt der F., und dann läuft er so schnell, wie ich ihn noch nie habe laufen sehen, heim. Schon auf der Treppe brüllt er nach seinen Geschenken, und dann sitzt er mit rotgefleckten Wangen vorm Baum und reißt das Papier selig von den Paketen.
„Klopf, klopf, klopf, kommt der Weihnachtsmann!“, behauptet der F. so circa am ersten Advent, und unterstreicht mit weit ausholenden Gesten, wie er sich die Bescherung vorstellt. „Ein alter Mann, mit Bart. Und einem Sack!“, beschreibt er den Spender von möglichst zahlreichen Geschenken, über die er täglich erhitzter spekuliert. Ein Kasperletheater soll er ihm mitbringen, eine Klarinette, ein Cello, eine Tuba gar, wenn möglich, und auf jeden Fall viele Bücher, bevorzugt über die Feuerwehr.
Im Laufe der Vorweihnachtszeit wird die Sache mit dem Weihnachtsmann immer elaborierter. Am zweiten Advent fährt der Weihnachtsmann mit einem rentierbespannten Schlitten über den Himmel. Am dritten Advent soll er auch F.s Kuscheltieren bescheren, und nach den drei Weihnachtsfeiern der letzten Woche kennt die Begeisterung eigentlich keine vernünftige Grenze mehr: Der F. fiebert dem Weihnachtsmann entgegen wie die Urgemeinde der Parusie Christie am Jüngsten Tage.
Das Problem an der Sache allerdings: Ich habe keinen Weihnachtsmann in petto. Ich habe mehrere Freunde gefragt, aber meine Freunde haben entweder selbst Kinder und sind deswegen Weihnachten daheim unabkömmlich, oder aber sie haben noch keine Kinder und fahren deswegen – wie man auch jenseits der 30 und vor zehn Jahren ausgezogen zu sagen pflegt – nach Hause. Also zu ihren Eltern, irgendwo in der entlegenen Provinz. Ostfriesland oder Unterfranken oder Oberschwaben oder die Eifel. Vielleicht geben sie da vor ihren Neffen und Nichten den Weihnachtsmann. Ich aber – oder besser gesagt: Der F. – haben hier das Nachsehen.
Schüchterne Versuche der kommerziellen Buchung kommen sämtlich zu spät. Einen allgemeinen Aufruf in den sogenannten Sozialen Netzwerken hat der J. verhindert, dem ein Eindringen halbbekannter Dritter in unsere häusliche Unordnung irgendwie unsympathisch erscheint, und so bleibt es wohl dabei, dass am Heiligen Abend eine Katastrophe dräut, wenn wir dem F. mitzuteilen haben, dass der Besuch des Weihnachtsmanns stattgefunden habe, als er just dem Kindergottesdienst beigewohnt hat. Ich ahne schon jetzt jammervolle Verzweiflung, kaum abgemildert durch die Geschenke, die der allzu schnell Entschwundene zurückgelassen haben wird.
Diese Website verwendet Cookies und das Tool Counterize, über das ich einige Daten, wenn auch keine IP-Adresse, erhebe und verwende. Wenn Sie auf meiner Seite bleiben, gehe ich davon aus, dass Sie damit einverstanden sind.OKNeinWeiterlesen