Weil des F. Grundschule den Katholizismus verachtet, feiern alle anderen Schulen Karneval, nur beim F. kam vor einigen Wochen ein dürres Schreiben aus dem hervorging, am Faschingsdienstag (der in dem Schreiben natürlich ganz schlicht „5. März“ hieß) finde ein Thementag „Dschungel“ statt. Man könne sich verkleiden.
Der F. verkleidet sich eigentlich nicht so besonders gern. Und wenn er sich verkleidet, will er dabei gut aussehen. Also, das was man eben für „gut“ erachtet, wenn man sieben ist. Also nicht als Banane, nicht als Bockwurst … hoppla: Gibt es überhaupt Bockwürste im Dschungel? Was gibt es im Dschungel überhaupt? Schmetterlinge scheiden aus, wenn man sieben ist und kein Talent zum Rebell gegen Geschlechtsstereotypen erkennbar. Tiger und Affen leben im Dschungel, aber vermutlich kommen alle Buben als Tiger. Das stört ein Kind nicht, aber als Mutter möchte man – denken Sie sich hier ein betont ironisches Zwinkern – doch, dass die Einzigartigkeit des eigenen Kindes sich auch nach außen hin manifestiert. Gesucht wird also ein anderes Kostüm. Zusätzliche Komplikation: Es ist Samstag, der 2. März. Noch drei Tage bis Fasch… also Thementag Dschungel.
Am Samstag schlafen wir erst mal aus. Also so richtig, richtig. Dann ist es zehn, dann ist es elf, dann schaue ich lange in den weitgehend leeren Kühlschrank und dann verlassen wir das Haus. Mit der M4 fahren wir zum Alex. Bei Galeria soll es Thementagskostüme geben, behauptet der geschätzte Gefährte, und deswegen steigen wir am Alex aus. Quer über den Platz, an Primark vorbei zu Galeria.
Ich habe noch nichts gegessen. Und der Alexanderplatz ist … nun speziell. Das mag an der unglaublich abscheulichen Architektur liegen, aber vor allem liegt es an den seltsam verformten Leuten, die mit einer andernorts unbekannten mürrischen Freudlosigkeit, die jeden Moment in offene Aggression umschlagen kann, riesige Primark-Taschen tragend über den Platz schieben. Wenn es dieselben sind, die in Umfragen behaupten, ihr Hobby sei „Shoppen“, dann haben sie sich jedenfalls ein sehr, sehr düsteres Hobby gesucht. Zu alledem stinkt es nach billiger Bratwurst. Meine Stimmung ist also bereits beim Betreten der Galeria – eins der scheußlichsten Kaufhäuser der ganzen Welt – schon sehr, sehr verdüstert. Dass es in der Spielzeugabteilung grässlich voll ist, macht die Sache dann auch nicht besser.
95% aller Berliner Eltern sind auch hier. Und sie haben alle, alle Kostüme in Größe 128 gekauft. Es gibt eigentlich nur noch Dirndl und Feuerwehruniformen aus Plastik, aber die trägt man nicht im Dschungel, und einen Tropenhelm, für den der F. sich interessiert, gibt es auch nicht. Außerdem ist es mir hier zu voll, das einzige Tigerkostüm ist zu groß, und so langsam fängt in mir ein Topf Misanthropie an zu kochen und schäumt bereits ganz bedenklich. Noch fünf Minuten und ich sage etwas, für das ein Bundesminister zurücktreten müsste. Zum Glück kennt der J. mich und stopft mir im Erdgeschoss schnell ein Stück Kuchen in den Mund. Da schlendern wir also alle drei kauend die Linden abwärts.
Bei H&M in der Friedrichstraße werden wir schließlich fündig. Es gibt zwar kein Tierkostüm mehr, Superhelden scheiden auch aus, aber es gibt noch ein einziges grünes Dinokostüm, das von uns zum Echsenkostüm deklariert wird, zum Dschungelechsenkostüm nämlich, und mit einer Tüte Langarmshirts und Socken für den F. verschwinden wir.
„Sei nicht traurig, Echse.“, sagt der F. auf der Rolltreppe zum Kostüm. „Zuhause warten viele neue Freunde.“
„Ist ja doch noch ein ganz guter Tag.“, sagt die Echse, als wir im Lafayette sitzen. Und dann isst die Echse einen Burger Colette und schlürft eine Auster.