Als ich 1995 Abi machte, hatten die Mädchen auch schon geschätzt einen deutlich besseren Abischnitt als die Jungen. Es wollten auch gar nicht alle Mädchen ausschließlich die Orchideenfächer studieren, die ja gern einmal dafür verantwortlich gemacht werden, wenn Frauen mit 40 zwar einen Doktortitel, aber kein Wohneigentum besitzen. Wir feierten, wir packten die Kombis unserer Eltern voll und fuhren davon.
Zum zwanzigjährigen Abijubiläum 2015 fielen wir uns alle in die Arme und zeigten uns viele Photos. Wir haben es alle ganz gut getroffen, will mir scheinen. Ein par Tage später aber fiel mir auf, dass ich von den Frauen mit Kind kaum gehört habe, was sie beruflich eigentlich gerade machen. Oder nur so ganz unscharf. Weil ich unendlich neugierig bin, habe ich die Mädchen von damals gegooglet und ein paar Leute gefragt. Die Jungen, jetzt Männer, haben mir ganz genau erzählt, was sie derzeit beruflich machen, da musste ich nicht mehr googlen. Was soll ich sagen: Die Männer sitzen im Durchschnitt mehrere Hierarchiestufen über dem Durchschnitt der Frauen. Und ich schätze, dass sie durchschnittlich auch mindestens doppelt so viel verdienen. Das liegt an langen Phasen, in denen Frauen mit Kind nicht gearbeitet haben. Und an der Teilzeit, die es Frauen schwer macht, Verantwortung übertragen zu bekommen. Und ohne Verantwortung keine Beförderung und weniger Geld. Als mir das bewusst geworden ist, bin ich ziemlich wütend geworden.
Nun könnte man proklamieren, dass das gleichgültig sei. Weil Frauen ja so schlau sind, zu erkennen, was auf Erden wirklich zählt. Kinder zum Beispiel. Und man sich in der „Tretmühle“ ja eh nur für andere verschleißt. Wenn man dieser Lesart folgt, haben Frauen es quasi raus und führen – finanziert durch blöde Leute, die es halt nicht raus haben – ein auf das Wesentliche konzentriertes tolles Leben.
In Wirklichkeit aber wirken die meisten mir bekannten Mütter weder besonders glücklich, noch besonders entspannt. Weil sie für zu wenig Geld und für zu wenig Anerkennung 20 Stunden in Teilzeit arbeiten. Weil sie Tag für Tag – auch mit Job – ungefähr drei Stunden mehr als Männer Haushalt und Kindern versorgen. Ich kenne Mütter, vor allem in West- und Süddeutschland, die jeden Nachmittag ihre Kinder durch den gesamten Landkreis schaukeln, weil die im Chor singen, Reiten, Tennis und Fußball spielen, Nachhilfe haben und Freunde besuchen. Fast immer besuchen die Mütter die Tage der offenen Tür für Grundschulen, sprechen mit Lehrern, wenn es Probleme gibt, kaufen Kindergeburtstagsgeschenke, dekorieren österlich oder weihnachtlich oder backen Brot, und wenn man sie mal zum Kaffeetrinken trifft, wirken sie ziemlich angestrengt. Manche meiner Freundinnen und Bekannte sind in den letzten Jahren schon optisch ziemlich gealtert und meistens schlecht gelaunt. Manche ähneln nicht mehr so besonders den strahlenden, fröhlichen Mädchen, die ich mal gekannt habe.
Den gleichaltrigen Männern dagegen geht es prima. Ihre Karrieren haben in den letzten fünf Jahren nochmal richtig Fahrt aufgenommen. Die Verabredungen mit den Vorständen, Partnern, Chefärzten und Ressortleitern, alle knapp über 40, kommen interessanterweise immer viel schneller zustande als mit den Frauen, weil die Männer mittags meistens essen gehen, und dann sitzt man ihnen im borchardt, im Desbrosses oder im Bocca die Bacco gegenüber und hört sich ihre Erfolgsgeschichten an. An zu wenig Anerkennung leiden sie jedenfalls nicht.
In meinen Augen spricht diese Situation dafür, dass auch Frauen mehr bezahlt arbeiten. Zum einen steigen dann die Aufstiegschancen, in Positionen anzukommen, in denen man seine Ideen viel besser realisieren kann, als wenn man nicht befördert wird. Das ist sehr befriedigend. Zum anderen verdient man mehr Geld und kann sich mehr Hilfen bei blöden Arbeiten leisten, gut essen gehen, toll reisen und es sich gut gehen lassen. Zum dritten ist es vermutlich nicht nur für mich befriedigender, etwas zu tun, was man gut kann und worauf man sich lange vorbereitet hat. Ich beispielsweise bin ja nicht zufällig Juristin und nicht Kindergärtnerin und auch nicht professionelle Raumpflegekraft, weil ich mich schnell langweile und sehr schlecht putze. Zum vierten meine ich, dass es für die Gesellschaft gut wäre, wenn die weiblichen Talente nicht einfach ungenutzt versickern. Es wäre doch toll, wenn nicht nur die Häuser männlicher Architekten gebaut würden, wenn auch mehr Unternehmen von Frauen verhandelt würden, und wenn auch mehr Frauen in leitenden Positionen in Ministerien Gesetze vorbereiten würde, denn mit einem deutlich größeren Talentpool als heute müsste doch auch die absolute Qualität steigen. Außerdem glaube ich an die Bedeutung von Diversität und vermute, dass es für Rentenkassen und Steueraufkommen toll wäre, wenn mehr Leute einzahlen.
Nun gibt es eine Reihe von Frauen, die meinen, Vereinbarkeit ginge gar nicht. Deswegen wollen sie offenbar, dass der Staat – also der Steuerzahler – dafür aufkommt, dass Mütter sich um Kinder und Haushalt kümmern. Wenn ich mir das praktisch vorstelle, gibt es die bis zu 1.800 EUR Elterngeld dann also vermutlich nicht mehr nur 14 Monate, sondern 36. Oder 72, die Forderungen sind vermutlich nach oben offen.
Doch auch wenn es ein solches Müttergehalt geben würde, wäre das doch nur eine zweit-, ach: drittbeste Lösung. Denn längere Zeiten der Berufslosigkeit führen vermutlich zu noch schlechteren Aussichten, berufliche Träume zu realisieren. In manchen Berufen verändert sich auch alles so schnell, da ist man nach drei Jahren so unfassbar weit raus, da ist ein Jahr das höchste der Gefühle. Die fehlende Anerkennung wird durch ein Müttergehalt vermutlich auch nicht steigen, und zudem – aber das ist Geschmackssache – gibt es kaum etwas weniger Befriedigendes, als den ganzen Tag daheim zu bleiben und Tätigkeiten nachzugehen, die extrem unbefriedigend sind, wie etwa Staubsaugen oder immer wieder „Conni kommt in den Kindergarten“ vorzulesen.
Ich setze also auf mehr Vereinbarkeit und nicht auf den Rückzug. Ich möchte mehr und bessere Kindergärten und echte Ganztagsschulen bis 16.00 Uhr. Ich möchte die volle Absetzbarkeit aller Kinderbetreuungskosten und Kinderkurierdienste, die Kinder zu Vereinen fahren. Ich möchte eine echte Entbürokratisierung, wenn man Putzfrauen und Kindermädchen einstellt. Da sollte es ein Büro im Arbeitsamt geben, wo man hingehen kann, und die regeln das dann alles. Querfinanzieren möchte ich das Ganze durch eine Abschaffung der Pendlerpauschale und des Ehegattensplittings und eine Abschaffung von – dann hoffentlich nicht mehr nötigen – versicherungsfremden Leistungen der Sozialversicherungen.
Ansonsten möchte ich, dass Frauen endlich verhandeln. Mit ihren Männern. Dass Frauen darauf beharren, dass ihr Job ebenso wichtig ist wie seiner, auch wenn sie weniger verdient. Dass Paare die lästigen Termine wie die Vorsorgeuntersuchungen oder den Elternabend paritätisch aufteilen. Dass sie sich nicht damit abspeisen lassen, sein Chef wäre böse, wenn er Elternzeit nimmt oder wegen der U 8 erst um 10.00 erscheint. Ihr Chef ist schließlich auch nicht begeistert, da müssen sich die Männer mehr trauen, die Frauen mehr darauf pochen und auch die Chefs bewegen. Ich würde mir außerdem wünschen, dass Frauen auch einfach mal die Füße stillhalten, wenn das Kind komisch angezogen aussieht oder ein merkwürdiges Geschenk für einen Geburtstag mitbekommt, wie manche Mütter begründen, warum sie sich nicht auf ihren Mann verlassen können. Das werden die ebenso lernen wie ihre Frauen.
Und ich würde mir wünschen, dass Frauen lebhaft, scharf, streitbar darüber diskutieren, wie sie sich Gesellschaft und Familien vorstellen, statt alles unter einer dichten Decke aus Harmonie zu begraben, weil es uns nicht weiterbringt, wenn wir uns nervenschonend versichern, unsere Leben seien alle total okay, wenn das gesellschaftlich und volkswirtschaftlich nicht stimmt. Ansonsten stellt die nächste Generation der Mädchen, die heute Abi machen, in 20 Jahren auch wieder fest, dass die Gesellschaft nicht wirklich weitergekommen ist bei der Verteilung von Geld und Macht.
(Dieser Text bezieht sich auf die hier gesammelten Texte und Frau Ziefle)
Volle Zustimmung, bis auf eine klitzekleine Kleinigkeit: Betreuung bis 16 Uhr hilft nur bedingt, wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten (wollen). 17 Uhr ist deutlich realistischer, da man sich ja nicht von der Arbeit nach Hause beamen kann. Und komfortabel wäre wohl eine Betreuung bis 18 Uhr. Und so Sachen wie Chor, Sport, etc sollte halt an den Schulen angeboten werden statt Eltern zu Fahrsklaven zu machen.
PS: Das 20-jährige Abitreffen war vermutlich 2015, nicht 2005, oder? 😉
Äh, ja. 2015. Geändert. Danke.
17.00 Uhr ist natürlich besser als 16.00 Uhr. Für Grundschüler kommt 16.00 Uhr wohl hin, die gehen allein heim. Hier in Berlin gibt es eine Hortbetreuung bis 18.00 Uhr, das ist natürlich hilfreich. Unsere Kita hat bis 17.00 Uhr geöffnet, und wir wechseln uns mit hinbringen und abholen ab, mit Babysittern als Rückfallposition.
Mit Beginn der Grundschule verkürzte sich die Nachmittagsbetreuung von 17:30 Uhr auf 16:30 Uhr und schon brauchten wir eine Kinderfrau, die die Abholung erledigt. Und ich hab einen sehr kurzen Arbeitsweg. Mein Mann pendelt pro Weg 1 h. Wenn ich auf dienstreise bin, kommt er trotz Kinderfrau auf max 7 h arbeit im Büro und erledigt noch einiges am Abend. Unsere Arbeit ist zum Glück so flexibel organisierbar. Bei Anwesenheitspflicht wirds da echt eng…
Da sprechen Sie einen ganz wichtigen Punkt an. Flexibilität ist wichtig. Dass es darauf ankommt, dass Aufgaben erledigt werden, aber nicht so sehr, wann und wo. So dass man mal um sieben Uhr morgen kommen kann, und mal um zehn. Oder nachmittags zwei Stunden verschwindet, und dann später weiterarbeitet. Das macht so viel so viel einfacher, auch wenn es sicher nicht für alle Berufsgruppen möglich ist.
“ Ich möchte eine echte Entbürokratisierung, wenn man Putzfrauen und Kindermädchen einstellt. Da sollte es ein Büro im Arbeitsamt geben, wo man hingehen kann, und die regeln das dann alles“
Das werden dann doch wieder (schlechtbezahlte) Frauenjobs sein, oder?
Das werden hoffentlich vernünftig sozialversicherte Jobs für Menschen sein, deren Qualifikationsniveau das entspricht. Wir beklagen uns doch immer, dass es immer weniger Jobs für Leute gibt, die es mir in den Händen als im Kopf haben. Das wären solche Jobs, die ja auch nicht zwangsläufig und immer Frauen haben müssen.
Irgendjemand muß putzen. Wenn die Dame des Hauses unbezahlt putzt, scheint das normaler, als dafür eine sozialversicherte Arbeitskraft einzustellen, die auf dem Arbeitsmarkt wenig andere Chancen hat.
Genau, das sehe ich auch so.
Ich hoffe, die selben Rechte und Möglichkeiten sollen natürlich auch für alle Personen gelten, die als vollausgebildete Lehrkräfte, vollausgebildete Hortkräfte, Putzkräfte (ohne Akkordvorgaben und zu zweit am späten Abend in Schulen und Kindergärten), Kinderfahrdienstleister (alle mit astreinem erweiterten Führungszeugnis) usw. die ganzen Kinder dann betreuen. Und das diese Personen dann auch noch vor Dunkelheit nach Hause kommen und nicht schon wieder um 05:00 Uhr in der Schule, dem Hort, dem Kindergarten usw. auf der Matte stehen müssen.
Wenn das alles so gefordert und dann auch so geregelt werden kann, bin ich dabei.
Ansonsten gilt, wenn man Kinder hat, sollte man sich die damit verbundene Arbeit auch entsprechend teilen.
Wieso man vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein soll erschließt sich mir nicht ganz.
Zu Studienzeiten habe ich regelmäßig nachts oder sonntags gearbeitet und das nie als bedauernswerten Zustand empfunden. Auch jetzt bin ich nicht jeden Tag vor 20uhr zu Hause.
Ihre Befürchtung, dass Betreuer dann bis spät arbeiten müssen, und morgens schon wieder ganz früh auf der Matte stehen müssen, ist natürlich sehr gewichtig. Ich denke aber, dass die Begrenzungen des Arbeitszeitgesetzes (42 Std. max die Woche, immer mindestens 9 Std zwischen den Schichten) Auswüchse regulieren, und in einer Gesellschaft, in der Arbeitskräfte rarer werden, ausbeuterische Arbeitgeber Probleme haben, überhaupt noch Kräfte zu halten.
Letztlich liefe es darauf hinaus, dass die, die es sich leisten können, die nötige Hilfe zur Verfügung haben, aber dafür ein Heer an Kinderfrauen, kindermännern, KursleiterInnen, Hin- und HerfahrerInnen gar keine Kinder haben können. Nicht so mein gesellschaftlicher Wunschtraum. Viel besser wäre die 30 Stunden-Woche für alle. Denn ich will ja auch die Kinder nicht nur wohlbehütet beim Chor wissen, ich will sie auch mal *sehen*, bevor nach einem 10-Stunden-Tag alle ermüded einschlafen. Und zwar 30 Stunden für alle, auch für die Väter und für die Kinderlosen.
Ich frage mich, ob das angesichts des jetzt schon bestehenden Fachkraftemängels möglich ist. Aber vielleicht geht es sich aus, weil ja auch einige mehr arbeiten als heute, man müsste das mal rechnen. Ich muss allerdings gestehen, dass ich das Problem gar nicht so sehe. Ich hole zweimal die Woche ab, plus Wochenende, das reicht mir eigentlich an Familienzeit.
Dazu passend aus dem Guardian vom WE. https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2016/jul/02/a-letter-to-my-wife-who-wont-get-a-job-while-i-work-myself-to-death?CMP=twt_gu
Mir ist nicht ganz klar, ob sich die Perspektive des Mannes als „Gegenbewegung“ ansehen lassen kann. Ich finde sie jedoch sehr nachvollziehbar.
Der arme Kerl. Solche Fälle gibt es natürlich auch. Am Ende ist das Patriarchat für niemanden gut, weder für Männer noch für Frauen, weil es jeden auf eine Hälfte des Lebens beschränkt und damit beschneidet.
„Querfinanzieren möchte ich das Ganze durch eine Abschaffung der Pendlerpauschale und des Ehegattensplittings und eine Abschaffung von versicherungsfremden Leistungen der Sozialversicherungen.“
Ich bin dafür!
Leider befürchte ich, dass wir uns mit dieser Position trotzdem klar in der Minderheit befinden. Es fällt schwer, das zu glauben, wenn man in Prenzlauer Berg wohnt – aber schon in Wilmersdorf sieht die Welt ganz anders aus, vom Rest der Republik ganz zu schweigen.
Ich glaube ja an die Veränderbarkeit der Welt. Noch vor zehn Jahren machte kaum ein Mann Elternzeit; heute sieht das schon ganz anders aus. Das wird sich hoffentlich auch mit dem Umfang und der Ernsthaftigkeit der Berufstätigkeit entwickeln.
Ja, das Elterngeld hat da viel in Bewegung gebracht. Aber zu dessen Einführung wurden nicht gleichzeitig andere Vergünstigungen gestrichen – deshalb gab es auch keinen großen Aufschrei.
Aber Abschaffung des Ehegattensplittings und der Pendlerpauschale ist schon was anderes: Dabei wird vielen etwas weggenommen. Und entsprechend groß ist der Widerstand.
Die Abschaffung der Pendlerpauschale fordert sich leicht, wenn man in einer Stadt lebt, in der man auch bequem mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren kann. Nur geht das leider nicht überall. Meine Schwester Rosarium arbeitet in einer anderen Stadt und obendrein gibt es dort Früh- und Spätschichten, da funktioniert das mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlichtweg nicht.
Nun, mögen Sie einwenden, soll sie halt umziehen. Dann aber müsste ihr Mann dieselbe Strecke nur in die andere Richtung pendeln. Und mit getrennten Wohnungen wäre auch niemandem gedient – der Wohnungsmarkt ist in der anderen Stadt auch sehr angespannt.
Ein anderer Job kommt auch nicht in Frage, beide lieben ihren Beruf und ihre Arbeit, sie entspricht auch ihrer Qualifikation, und so eine Stelle, wie meine Schwester sie hat, gibt es hier auch gar nicht.
In diesem Fall reden noch wir von Großstädten, auf dem platten Land sieht es nochmals ganz anders aus. Da gibt es oft weder ausreichend Arbeitsplätze noch einen Nahverkehr, der den Namen verdient. In dem Kaff, in dem mein Vater bis vorigen Sommer wohnte, fuhr beispielsweise nur morgens und abends ein paar Mal ein Bus in die nächste Kleinstadt und zurück.
Aber ist denn wirklich der Staat dafür verantwortlich, den Leuten ihr Häuschen im Grünen zu finanzieren? Ich verstehe aber, dass viele Leute die Pendlerpauschale vermissen würden, wie bei jeder Wohltat.
Von Häuschen im Grünen kann im Fall meiner Schwester keine Rede sein, es handelt sich um eine Mietwohnung in der Großstadt. Und sie arbeitet in einer anderen, wenn auch deutlich kleineren Großstadt (mit ebenfalls angespanntem Wohnungsmarkt).
Ich halte auch nichts davon, immer noch mehr Landschaft zu zersiedeln. Umgekehrt funktioniert es aber auch nicht – es können nicht alle vom Land in die Stadt flüchten, nur weil es auf dem Land nicht für alle Arbeit gibt.
Leider viel zu kurz gegriffen: viele Aspekte werden nicht mitgedacht: seit wann reicht es als Frau. Nur vollzeit zu arbeiten, um auch befördert zu werden???? Wieso wird keine Sekunde an der Arbeitswelt kritisiert? Eine 30 Stunden Woche für alle wäre für mich z.B. viel sinnvoller und wir müssen nicht unsere Kinder nur noch vom Staat betreut und erziehen lassen. Längere Betreuungszeiten führen nur dazu, dass wir alle noch länger bis zum Burnout im Hamsterrad rumrennen “ dürfen“, und die nächste Generation lernt von Anfang an das mit der Leistungsgesellschaft…
Natürlich wird nicht jeder befördert, der Vollzeit arbeitet, aber die Wahrscheinlichkeit ist doch um ein Vielfaches höher als in Teilzeit. Die Teilzeit ist deswegen in meinen Augen ein Hauptproblem bei der Frage, wieso Frauen wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht aufschließen.
Wenn Sie Arbeit als „Hamsterrad“, also als vergebliche Anstrengung betrachten, haben Sie vielleicht den falschen Job und sollten sich etwas anderes suchen. Im besten Fall ist ein Beruf individuell befriedigend und gesellschaftlich sinnvoll. Geld bekommt man auch noch, ich sehe also ihr Problem nicht. Ebenso ist mir Ihr Problem mit der Leistungsgesellschaft nicht nachvollziehbar. Wir wollen doch alle etwas leisten, oder? Wir wünschen uns, Kathedralen zu bauen, Prozesse zu gewinnen, Projekte auszudenken und zu realisieren, Bücher zu schreiben oder Menschen zu heilen. Wenn das nicht hinhaut, sind wir traurig. Das ist doch ein innerer Drang, kein äußerer Zwang, und ich wünsche mir sehr, dass auch mein Sohn seine viele Wünsche, was er einmal leisten möchte, in die Tat umsetzt. Gerade will er wahlweise Verbrecher fangen oder versunkene Städte ausgraben.
Bei Ihnen, wenn ich das so hart formulieren darf, scheint durch, dass die häusliche Sphäre für Sie einen Fluchtpunkt darstellt. Hier gibt es keine Leistungsanforderungen, es ist kuschelig, aber wenn Frauen 50% Macht und Geld haben wollen (oder wollen Sie das nicht?), dann können wir uns nicht zuhause verstecken.
Oh, das klingt alles sinnvoll, verehrte Frau Modeste, und vielleicht ginge es schneller, als man denkt, auch wenn Frauenfragebücher vor 1900 heutigen Aufsätzen bisweilen erschreckend ähnlich sind.
Ein Problem ist wohl aber auch das, was man den „Willen zur Macht“ heißen könnte. Der ist oft entweder nicht vorhanden/im Dämmerzustand und kommt erst beim Essen, wenn es eventuell schon zu spät ist. Es sind eben großenteils unbekannte Gewässer. (Boah, Platitüde.) Das gilt sicher nicht für alle, aber für viele Mädchen scheint weiterhin zu gelten: Macht = pfuibäh. In meiner Abiturklasse: eigentlich alle. Das mag zwar ein Vorteil sein für die Mitspielwilligen (weniger Konkurrenz), hat aber auch die Umkehrseite, dass „Frau“ und „Macht“ (in maskulin konnotierten Bereichen) nicht gar so geläufig synapsiert werden.
Ich zum Beispiel kannte längste Zeit das „Hamsterrad“ nur vom Hörensagen – ergo durch Leute, die das entweder für sich vonvornherein ausgeschlossen hatten (und – gut abgesichert oder auch prekär – fächrige Orchideen züchteten) oder aber nie wirklich hineinkamen und es dann ehertendenzielleinbisschenziemlichtotalabsolut herabsetzten; also den Part mit der Lust an der Last, der Konkurrenz, dem Spielerischen, dem Durchsetzen, dem „Tiger-durch-Reifen-springen-lassen“, dem Voranbringen ausließen [eine Lücke, die u.a. erst Ihre Texte füllten, auch wenn es nun etwas spät ist].
Da ich wahrscheinlich mal Lehrerin werde (==> Sicherheitsneurose, wie Sie es einmal so schön ausdrückten), kann ich mich ja mal im social engineering versuchen und erzählen, was auch geht.
Nur bloß nicht mit dieser anstrengenden Girls‘-Day-Rhetorik.
Einsprüche?
Ganztagsschule: Dann müssten wir alle Schulen umbauen. Das ich mir vorstellen ganz teuer. Und bitte eigene Schichten für die Nachmittage. Man werfe mir Egoismus und verfehlte Berufswahl vor, aber ich hasse Basteln; und ohne finanzielle Anreize werden die AGs auch nicht gehaltvoller.
Ich denke auch, dass Ganztagsschulen teuer werden. Wenn dafür die Erwerbquote und damit auch die Steuerertragsleistung steigt, nehme ich aber an, dass sich die Kosten deutlich relativieren.
Dass viele Frauen nicht nach Macht streben, spricht aus meiner Sicht aber nicht gegen mehr Berufstätigkeit. Man muss doch nicht Chef sein, um Spaß an seiner Tätigkeit zu haben.
Diese Haltung ist tatsächlich eine Minderheitenposition, denke ich. In meinem Umfeld findet die nachschulische Betreuung wenig Zuspruch; viele möchten halbtags arbeiten und Zeit für ihre Kinder haben; die wirken großteils recht erfreut und nicht verkniffen.
Nicht jede/r will Karriere machen; für viele ist der Beruf ein Brotberuf, mit dem man sich eben seinen wahren Fokus finanziert. Für einige, die ich kenne, ist dieser Fokus ein extravagantes Hobby; für andere sind es Familie und Kinder.
Eine Haltung, die Leistung nur in der Berufstätigkeit sieht und nur sie anerkennt, entwertet alle Leistungen außerhalb der Berufstätigkeit. Kann man machen, halte ich für falsch. Leistungen werden in den Familien, in der ehrenamtlichen Tätigkeit erbracht, ohne die die Gesellschaft wesentlich weniger rund laufen würde.
Dass eine (männerdominierte) Politik entschieden hat, Leistungen kindererziehender Menschen (meist Frauen) unter ferner Liefen einzureihen (s. Unterhaltsrecht), ist natürlich für Männer und die Politik bequem und nützt Frauen wenig. Denn wenn Kinder da sind, werden die Frauen ihr Hauptaugenmerk auf deren Wohlergehen richten, auch zu eigenen Lasten. Und solange, wie soeben in der ZEIT berichtet, 80% der Kitas mittelmäßig sind, sind Kitas eher „Augen-zu-und-durch“ statt Kinderparadies.
Die bekannte verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre der Väter trifft auf Mütter, die nicht im Konflikte Auskämpfen geschult und geübt sind und andererseits ihre Energie in des Naheliegende stecken – die Kinder. Väter, die sich nicht kümmern, haben mit keinem gesellschaftlichen Druck zu rechnen, aber auch mit wenig Druck seitens der Frauen – für die ist es recht bequem, ihr Leben weitgehend unverändert fortzusetzen.
Wenn ich über das Thema nachdenke, scheint mir: egal, was passiert, die Mütter sind hier die Gearschten. Die Politik lässt sie weitgehend im Stich; Veränderung in der Familie funktioniert nur mit langwierigem, zermürbenden Konfliktmanagement; Karriere machen ohne Kind schon nur die wenigsten Frauen; und die reiben sich dabei auch ziemlich auf. Nach dieser Betrachtung versuche ich, mein Leben so zu gestalten, wie es meinem Kind und mir gut tut: so viel zuhause für dass Kleinstkind wie möglich, so viel Erwerbstätigkeit zur finanziellen Absicherung wie sinnvoll, und gut überlegen, wohin ich meine Energie stecken will. Was macht mich auf Dauer zufrieden? Ständiger Streit und Stress in der Familie, ein Kind, das mehr Zeit in mittelmäßigen Institutionen geparkt wird als in der Familie? Nicht, solang das Kind klein ist, sorry. Karrieremöglichkeiten habe ich sehenden Auges ausgeschlagen, da hab ich keine Lust drauf; das zusätzliche Geld ist mir den Stress nicht wert, vergesst es. Ich sehe es momentan als meinen Job an, meinem Kleinstkind bis zum Kindergarteneintritt ein Leben in einem streßfreien, schönen, stabilen Zuhause zu ermöglichen. Dass das ein Teil der sich progressiv gebädrenden Gesellschaft geradezu biedermeierlich findet, who cares. Auf deren Anerkennung bin ich nicht angewiesen. Schließlich: ich habe bis jetzt 17 Jahre in Vollzeit gearbeitet, nach Kindergarteneintritt des Kindes geht es munter noch mal 20 Jahre weiter mit der Erwerbstätigkeit – die Kinderpause verlebe ich ohne jedes schlechte Gewissen. Und nachdem der Göttergatte wesentlich weniger Lust auf Kleinkindbetreuung hat und gerne Karriere macht, leben wir mit dem klassischen Modell recht gut.
Wenn Sie das so machen möchten, dann steht Ihnen das natürlich frei. Allerdings leuchtet mir nicht ein, wieso es für eine Auszeit staatliche oder solidargemeinschaftliche Leistungen geben soll, aber das ist sicherlich Ansichtssache. In meinem Umfeld teilt man Ihre Ansicht übrigens nicht, dass Frauen aus irgendwelchen (biologischen?) Gründen eher zu Kindern gehören als Männer.
Ihre Ansicht, nach der Kindererziehung eine ebenso anerkennenswerte Tätigkeit sein soll, wie ein regulärer Beruf, ist individuell sicherlich verständlich. Gesamtgesellschaftlich, aber auch volkswirtschaftlich, halte ich eine 1:1 Betreuung über die Stillzeit hinaus aber nicht für sinnvoll. Ich sehe aber auch nicht die von Ihnen beschriebenen grässlichen Folgen einer Vollzeitbetreuung. Vielleicht malen Sie in Ihrem Wunsch nach einer stressfreien Auszeit zu Hause da ein wenig schwarz? Wir haben jedenfalls weder den ständigen von Ihnen beschrieben Streit noch Stress, und versinken auch nicht in Instabilität, was auch immer Sie darunter verstehen. Ich verstehe Ihren Wunsch, dass eigene Lebensmodell als überlegen zu verteidigen, teile Ihre Ansicht aber nicht.
Dass die ZEIT die öffentliche Kinderbetreuung abwertet, habe ich auch gelesen, kann dies aber ganz und gar nicht bestätigen. Wir haben unseren Sohn täglich von 9.00 bis 17.00 Uhr in einer städtischen Berliner Montessorikita, die mit einer Engelsgeduld und viel Engagement besser betreut, als ich es jemals könnte. Ich nehme zwar mit, dass viele Frauen meinen, sie könnten Erziehung auch ohne einschlägige Ausbildung besser als die Erzieherinnen, teile diese Ansicht für mich aber nicht. Mir würde nach drei Wochen der Kopf platzen. Nicht zuletzt halte ich eine traditionelle Rollenverteilung nicht für total okay, sondern für einen Skandal, und solange Frauen sich mit Begeisterung in die häusliche Sphäre zurückziehen, und die Schaltstellen gesellschaftlichen Einflusses Männern überlassen, wird sich hieran wohl auch nichts ändern. Aber ich verstehe Sie so, dass Sie das nicht für problematisch halten, sondern den natürlichen Raum einer Mutter zu Hause verorten.
Wenn der Staat die Familie als Keimzelle der Gesellschaft beschreibt und ihr eine Bedeutung zuschreibt – und das tut er ja, dann würde ich gerne auch die Familien gefördert sehen – ob sie ihr Heil in der Fremdbetreuung sehen oder in der Betreuung des Kindes zu Hause in den drei wichtigen ersten Lebensjahren. Immerhin ist Geld für alle möglichen fragwürdigen Projekte da.
Ich habe bereits ein Kind großgezogen und dabei nach 1 Jahr Vollzeit gearbeitet, angekränkelt, muss man schon sagen, von der You-can-have-it-alle-Mentalität, die wir damals als junge Feministinnen geradezu aufgezogen haben. Dem Kind hat das nicht gut getan, mir auch nicht – Stress pur mit all seinen unschönen Nebenwirkungen. Schön, dass das bei Ihnen besser klappt – für mich nie wieder Vollzeit + (Klein)kind, besten Dank.
Die Kita-Erzieherinnen in meiner Umgebung raten recht offen davon ab, die Kinder in die meisten Einrichtungen zu stecken, da wegen Personalmangels der Betreuungsschlüssel nicht eingehalten werden kann. Ein bisschen näher kenne ich persönlich die Handhabung von Nachmittagsbetreuung in Schulen. Das muss genau eines sein: billig. Wirklich kindgerecht sind diese Einrichtungen bei uns kaum. Es gibt wirklich sehr gute Einrichtungen, aber die meisten Kitas scheinen es nicht zu sein und bei den mir persönlich bekannten Nachmittagsbetreuungen hege ich starke Zweifel.
Für mich gibt es keinen „natürlichen“ Raum, wo ich „die“ Mutter verorte. Wer erwerbstätig sei will oder muss, soll arbeiten. Wer Kind und Karriere verbinden will, soll das tun. Wer nur Karriere machen will, be my guest. Und wer das Kind gern zuhause betreuen kann und will, soll das bitte tun. Nachdem ich das kann und will, und ehrlich gesagt sehr gerne tue, ist das der Weg, den ich priorisiere. Ich weiß, dass es sehr gute Erzieherinnen gibt – würde mich aber ungern von einem sehr guten Chirurgen operieren lassen, der gleichzeitig an 10 Tischen operieren muss. Und das ist, wenn Sie so rumfragen, die Situation in vielen Einrichtungen: die haben schlicht zu viele Kinder zu betreuen.
Die klassische Rollenverteilung ist für mich kein Skandal – der Skandal ist der, dass die Care-Arbeit in den Familien für die Politik so einen geringen Stellenwert besitzt. Die guten Effekte dieser (meist weiblichen) Arbeit werden gerne hingenommen, siehe Betreuung pflegebedürftiger Alter zu Hause, aber kosten darf’s halt nix oder nicht viel.
Der Skandal besteht für mich auch daran, die außerhäusliche Betreuung schon der Kleinsten zu pushen – und mehr oder weniger subtil die Betreuung zu Hause abzuwerten. Dahinter steckt für mich eine politische Agenda, die nicht in erster Linie das Wohl der Kinder im Auge hat.
Ich denke, Frau mamax2, dass wir nicht wirklich zueinanderkommen, wenn für Sie die unterschiedliche Teilhabe von Männern und Frauen an den gesellschaftlichen Ressourcen keinen Skandal darstellt. Ich finde gleiche Teilhabe wichtig.
In einem Punkt möchte ich zudem einen Irrtum richtigstellen. Sie meinen offenbar, dass aus Art. 6 GG ein staatlicher Finanzierungsauftrag resultieren würde. Menschen, die bezahlt arbeiten, sollen Ihrer Ansicht nach also Hausfrauen finanzieren. Damit unterliegen Sie aber einem Missverständnis. Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte. Sie haben ein Recht darauf, dass der Staat Sie in Ruhe erziehen lässt, solange Sie Ihren Kindern nicht schaden. Einen Anspruch auf Geld gewährt Art. 6 GG nicht. Mit Ihrem Wunsch nach Bezahlung für Hausarbeit und Erziehung sollten Sie sich deswegen nicht an den Staat wenden, sondern an den Nutznießer, also den Kindsvater, wie es das BGB ja auch vorsieht.
Abschließend bleibt anzumerken, dass es für Ihre Annahme, frühe Kinderbetreuung würde Kindern schaden, keine vernünftige Tatsachenbasis gibt. Schon der Blick nach Frankreich oder Skandinavien (aber auch in unsere Kita) überzeugt mich eher davon, dass es für Kinder von Vorteil ist, früh unter Kindern zu sein. Wenn Sie sich also ein stressfreies Leben wünschen, dann drücke ich Ihnen die Daumen, dass Ihnen das jemand dauerhaft finanziert. Der Link oben zu einem Artikel im Guardian zeigt ja ein solches Modell. Das Wohlergehen Ihrer Kinder für den Rückzug nach Hause zu instrumentalisieren, halte ich aber für ein bisschen fadenscheinig.
Sehr, sehr schöner Text, den ich gerne geteilt habe. Denn auch ich denke: Jede(r) so wie sie/er will – aber dann bitte auch auf ihre/seine Kosten. Ich möchte nicht Vereinbarkeitsspagat haben und die Kosten für anderer Leute Rente(npunkte) zahlen. http://www.halbesachen.net/vereinbarkeitsdebatte/
Stimmt, das sehe ich genauso. Wer zuhause bleiben möchte, sollte dies möglicherweise eher, als dies heute meist geschieht, mit seinem Partner regeln, vielleicht sogar mit einem richtigen Arbeitsvertrag, so dass Rentenpunkte und eine eigene Arbeitslosenversicherung erworben wird. Und nicht am Ende einer Ehe die ehemalige Hausfrau mit leeren Händen dasteht, weil der Deal einseitig aufgekündigt wird.
Mit einem Kind lässt sich Beruf und Familie meist noch halbwegs vereinen. Schwierig wird es mit zwei oder mehr Kindern, zumal wenn die Eltern nicht beide Akademiker sind. Ursual von der Leyen mit ihren sieben Kindern ist da halt kein gutes Beispiel, dort war immer genügend Geld vorhanden für entsprechende Dienstleistungen. Bei einer Floristin und einem Berufskraftfahrer – wie etwa ein Busfahrer in öffentlichen Nahverkahr -, die zwei Kinder haben, wird das schon sehr viel schwieriger.
Ich bin gespannt, wie sich die Vereinbarkeit entwickelt, wenn F. in die Schule kommt. Meine älteste Freundin sah sich als Alleinerziehende seinerzeit gezwungen, ihre Arbeitszeit auf 50 Prozent zu reduzieren, als ihre Tochter in die Grundschule kam. Ganztagsschule und Hortbetreuung gab es damals – 2002 – noch nicht und das Kind kam viel zu früh nach Hause. Öfter einmal fiel auch der Unterricht aus. Die Großmutter lebte zwar im selben Stadtteil und kümmerte sich auch mit darum, aber jeden Tag konnte die Freundin ihre Mutter auch nicht dafür einspannen. Für Tagesmutter usw. verdiente sie – ausgebildete Industriekauffrau, nach der Geburt des Kindes als Personalsachbearbeiterin im öffentlichen Dienst angestellt – schlichtweg nicht genug.
Ja, wir brauchen echte Ganztagsschulen und gute Fahrdienste, die die herumkurvenden Mütter ersetzen, um Kinder nach der Kita oder Schule von A nach B bringen. Ich denke aber, mit der Nachfrage kommt das Angebot. Für den F. haben wir auch eine Ganztagsschule ausgesucht, die selbst kocht, einen pädagogisch guten Ruf genießt und ein sehr gutes Hortangebot mit vielen Vereinskooperationen und Musikschulangeboten bietet. Bis 16.00 Uhr verpflichtend, bis 18.00 Uhr fakultativ.
Ich fände es ja ganz schön, wenn Kinder ab einem gewissen Alter* selbst in der Lage wären, an die jeweiligen Orte zu gelangen. Uns hat man das seinerzeit in der Großstadt auch zugetraut.
* Kita-Alter ist hier selbstverständlich nicht gemeint
Ich vermisse bei allen Argumenten neue Wohnmodelle, bei denen sich Eltern und Singles, junge und Alte gegenseitig helfen können und somit die Lücken schließen, die Ganztagsbetreuung und schlechte Kitas hinterlassen. Alle gehen anscheinend selbstverständlich davon aus, das Familien immer noch unter sich in Wohnung und Haus leben und Singles eben allein mit ihren Kindern müssen. Wenn unser Wohnungmarkt nicht so verdammt festgelegt wäre auf diese Lebensmodelle könnte ich mir ganz tolle Hausgemeinschaften vorstellen, wo jeder für sich sein kann, aber auch alle Gemeinschaftsräume, Gärten und Terassen nutzen könnten.
Das hätte ich mir gewünscht vor mehr als 20 Jahren, als wir unseren Sohn improvisierend ohne Hilfe von Babysitter, Großeltern und Haushaltshilfen goßgezogen haben mit mangelhafter Nachmittagsbetreueung, zu kurzer Schulzeit, und Kindergarten mit mieser Hausaufgabenbetreuung, in den unser 10jähriger sich weigerte weiter zu gehen.
Sie haben Glück, Frau Modeste, toller Kindergarten, gute Arbeitssiutuation, stabile Beziehung, alle gesund. Hoffen wir dass es so bleibt. Im besten Fall unter diesen Voraussetzungen kann man Ihre Position nur befürworten.
Ich bin auch Abi-Jahrgang 1995 und stelle fest, dass die meisten meiner damaligen hochmotivierten Abschluss-Kolleginnen mittlerweilenur nur noch als Mütter Karriere machen. Allerdings frage ich mich, OB sie denn wirklich mit ihren Chefs und Männern verhandelt haben zwecks Vereinbarkeit oder ob nicht einige viele davon ganz happy waren, mal ein Weilchen aus der Job-Mühle auszutreten? und aus dem Weilchen sind dann irgendwie Jahre geworden, der Terminkalender der Kinder und Männer in der Zeit immer voller und deswegen geht es beim besten Willen nicht mit Stunden aufstocken im Job…. irgendwie kann ich es nicht glauben, dass es zwischen Doktortitel-Karrierefrau und Halbtagsstelle kein passendes Mittelding gibt für Frauen, die gern arbeiten wollen und sich eine halbwegs gerechte Aufteilung dazu mit ihren Männern wünschen. Dazu muss man seine Position klar machen und vor allem (großes Talent find ich) loslassen, vertrauen und laufen lassen können: die Kinder, die Männer, den Perfektionismus im Müttergewerbe. Und auch mehr ehrlich zu sich selbst sein (wie viel Job will ich denn wirklich?).
Klar ist auch, dass mit Dauerteilzeit bis zur Rente kein Blumentopf zu gewinnen ist… und ob die lieben Kleinen das dann danken, dass man sie jahrelang zu allen Sportkursen gefahren hat?
Das Loslassen ist in der Tat so ein Ding. Ich habe mal vor vier Jahren drüber geschrieben.
http://modeste.me/2012/12/28/frau-modestes-guide-zu-sehr-entspannter-mutterschaft-1/
http://modeste.me/2012/12/30/frau-modestes-guide-zu-sehr-entspannter-mutterschaft-2/
Danke!
Interesse an einer gespiegelten Version des Artikels aus (sehr subjektiver,persönlicher) Männersicht auf die gleiche Situation? Nicht weil Ihre falsch wäre (bewahre! Das wäre absurd anzunehmen oder nur zu denken), sondern weil es Dinge einfach anders beleuchten könnte? Vielleicht? Herzlichen Gruss!