Schon etwas abgeblüht ist das Römische Reich, schon etwas welk seine Kraft, und filigran sind die Hände geworden, die das Reich regieren. Die nervöse Üppigkeit des Orients hat sich schon so lange vermischt mit den derben Instinkten der Bauern, die vor Jahrhunderten ein Weltreich eroberten, und bringt nun Generationen hervor, die statt zu erobern – oder auch nur zu regieren – vergeblich etwas suchen, was jenseits der purpurroten, faulig-irisierenden Üppigkeit jener Jahre liegt, die wir die Spätantike nennen: Nur noch wenige Generationen, und die verästelte, spannungsreiche Hinfälligkeit dieser Welt wird unter den Schwertstreichen der Germanen verenden, und jener, der Mitte des 4. Jahrhunderts im Süden des im wesentlichen intakten Reichs geboren wird, wird am Ende seines Lebens in Hippo unter der Belagerung der Vandalen seine Augen schließen.
Die Jahre sind vorbei, in denen es die Fischer, die Armen, diejenigen vom Rande der Gesellschaft waren, die an die Geschichte von Kreuzestod und Auferstehung ihre Hoffnung hefteten. Längst schon hat der sterbende Kaiser Kontantin die Taufe genommen, das Konzil von Nicäa ist bereits Geschichte, aber noch ist das Christentum eine Religion unter anderen und noch sind es zumeist die Massen aus den Städten, die auf das Herabsteigen des Christus Salvator warten.
Aurelius Augustinus ist keiner von ihnen, aus der Provinz Numidien gebürtig hat er den Bildungsgang eines jungen Mannes aus gutem Hause durchlaufen. Christ ist er nicht. Seine Mutter Monica ist getauft, betet für ihn und seine Bekehrung, und das Denkmal, dass er der Monica im neunten Buch seiner Confessiones errichtet, ist wahrhaft monumentum aere perennius, das von seiner Lebendigkeit und Wärme nichts verloren hat über den Graben der Jahrhunderte.
Lange betet die Monica für die Bekehrung, denn jene lässt auf sich warten. Augustinus ist ein guter Schüler, ein begabter Student, dem die Erfolge zufallen, und der in dem dünnen, duftenden Blut des Zeitalters doch nicht findet, was er sucht. Die Säulen der Welt sind zweifelhaft geworden, der Glaube an die altrömischen Götter hat einer ihrerseits bereits ehrwürdigen Skepsis Platz gemacht, deren Gelassenheit und maliziöse Eleganz erst die Renaissance wieder erreichen wird. Die Schulen der griechischen Lehrer sind gleichfalls Jahrhunderte alt, und ob es der Müßiggang ist oder die Erkenntnissehnsucht, die Roms Jünglinge durch Griechenland treibt: Auch dieser Weg zu Wahrheit und Erkenntnis ist schon so lange beschritten worden, dass auch sein Scheitern bereits patiniert ist von denen, die Generationen zuvor zu Füßen der griechischen Lehrer saßen. Das Überraschende ist Kanon geworden, die Antinomien der Schulen zur Gewohnheit verkommen, und der Mund der Wahrheit spricht mit Greisenstimme zu seinen Jüngern. Eine große Klugheit liegt in jenem Achselzucken, mit dem die damalige Welt der Frage nach ihrem Innersten, nach Seinsgrund und Ziel allen Seins begegnet, aber brausende Wahrheit und Leidenschaft wohnt nicht dort, wo Augustinus sie sucht: Weder bei Cicero noch bei den Manichäern. Am Ende seiner Ausbildung in Karthago und Mailand ist er Hochschullehrer, hat in vielen Schulen die Erlösung von den Zweifeln gesucht, die ihn immer wieder überkommen, ist angesichts der Lücken und Brüche der Lehren stets weitergezogen, und hat die Wahrheit nicht gefunden.
Zum Grübler und Sucher jedoch wird Augustinus nicht, denn die damalige Welt mag auf schwankendem Grunde stehen, Genuss bietet sich einem, der Essen und Wein, Frauen und dem Theater zugetan ist, in reichem Maße, und so ist es auch die Forderung nach Keuschheit, die Augustinus lange von der Konversion abhält, als er, zermürbt schon von den Zweifeln und der Komplexität der Gedankengebäude, schon überzeugt auf die Taufe zuschreitet.
Von einer geisterhaften Kinderstimme schreibt Augustinus, die ihn zum Buch der Bücher hingezogen habe, und ob dies nun ein Bild sein mag, oder einer jener Zufälle, von denen die Welt lebt. Stimmig erscheint es in hohem Maße. Mehr als ein Jahrzehnt hat Augustinus nun nach Wahrheit gesucht, Komplexität gefunden, und er mag der Vielfalt der Wahrheit überdrüssig sein und müde des Suchens gleich den Tangenten, die Grund und Maß nie berühren. Augustinus wirft die Suche von sich: Das Lehramt. Die Suche nach dem wahren Wesen des Seins in immer feineren Differenzierungen. Der Glaube, dem Wesen der Welt mit den Mitteln des Verstandes nahe zu kommen. Ob er die in ihrer Schlichtheit fast rührende Geschichte vom toten Sohn des Zimmermanns glaubt? Ob er seine Wahrheit findet, und die Zweifel zerstieben?
Ob in jener Fama vom reinen Tor, der im unruhigen Jerusalem zwischen die Parteien gerät und umkommen muss, die Wahrheit des Augustinus liegt oder nur der entschlossene Wunsch, die Wahrheit gefunden zu haben: Augustinus entsagt, kehrt der unruhigen, grellen Welt des Altertums den Rücken zu und wird jenes Monument, als das er in den Hallen der una et sancta steht, die ohne ihn nicht wäre, was sie ist.
Die Nervosität jenes Saeculums am Ende einer Epoche, seine Farben und Menschen, seine Zerrissenheit, von der Augustinus sich abgewandt hat, wenden sich indes nicht ab vom Augustinus. In seinen Confessiones, viel gedruckt und zu wenig gelesen, steht sie noch einmal auf, die verwesende Welt des ausgehenden Altertums, die sich in jenem Geist konserviert hat, den sie enttäuschte, der sie von sich stieß, und der ihrem Zauber noch ex negativo nicht entkam in Sphären, die den Geist nichts nötig haben.
So war’s und so wird’s immer sein. Die „Erkenntnissucht“ ist die Triebfeder und gleichzeitig der Widerhaken im Getriebe jeglicher Gesellschaftsordnung. Die Rückzügler haben meinen Segen.
Das große Achselzucken
Das ist bestimmt ein verschlüsselter Text über die Bloggerwelt. Ich überlege gerade ob Don… ach nein, das kann nicht sein. Die Suche nach Wahrheit hat manchen schon zum Glauben, andere in die Paranoia geführt. Es gibt Dritte, die sagen, das sei ein und dasselbe. Als gelernter Pessimist sehe ich auch überall Zeichen, einen flüchtig hysterischen Schwebezustand, Grosz’sche Bizarrerien und grell erleuchtete Manegen, die gefüllt sind mit Gauklern und Scharlatanen.
Achselzucken ist keine Antwort und keine Weisheit. Aber manchmal gibt es auch wirklich nicht mehr zu sagen. Vielleicht, weil es keine Wahrheit gibt. Vielleicht finde ich Antworten, wenn ich in den nächsten Tagen nicht durch Jerusalem, aber einen einsamen Strand entlang wandele.
Ich halte es ja mehr mit Julian Apostata denn mit dem verbitterten Judenhasser und Mörder von Andersgläubigen – Dinge, die er natürlich nicht als Untaten erachtete, die zu gestehen seien, sondern eher ein Werk zur Verbreitung seines Glaubens.
Würde man heute die faulige Ausdünstung seiner Civitas Dei ernst nehmen, müsste man den Druck des Werkes verbieten und seine Besitzer zurecht dem Verfassungsschutz überantworten. Verfassungsfeind wäre das Mindeste, was man über ihn sagen könnte, und das einzig Versöhnliche an dem Psychopathen ist das Wissen, dass er in tiefer Verzweiflung verendete; in einer von den Wandalen belagerten Stadt und ohne je hoffen zu können, dass 1575 Jahre später Nachfahren seiner Opfer wie ich einen Moment des Ekels im Gedanken an ihn nicht unterdrücken können, obwohl das Wetter traumhaft schön und das Leben voller Heiterkeit ist.
Ich hasse diesen verbiesterten, asketischen, fanatischen Augustinus und alles, was er der lichten, frohen und geistvollen Antike angetan hat.
(greift nach seinem Porphyrios Malchos und danach zum Catull)
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@modeste: Die von Ihnen gewählten Topoi schaffen es doch immer wieder, mich zu überraschen. Chapeau!
@don: Wie die lichte, frohe und geistvolle Antike in ein dunkles Zeitalter kippen konnte, dasbleibt in der Tat eines der spannendsten historischen Rätsel für mich.
Auch auf die Gefahr, mich mit dieser Feststellung auf Glatteis zu begeben: Da waren ja nicht nur die Germanen von Norden her, sondern auch eine kleine sehr unruhige Provinz im Südosten des römisches Reiches, die sich der kulturellen Hegemonie der geistvollen griechisch-römischen Antike ums Verrecken nicht beugen wollte.
Und allen späteren Abspaltungen und Antagonismen zum Trotz war der Zimmermannssohn ein Produkt ebenjener auf Apokalypse, Auserwähltheit und Abgrenzung versessenen Kultur. Diese ganze Zeloten-, Essener-, Pharisäer- und Christen-Mischpoke (darf man das so sagen?) wollte vom Geist der Antike doch überhaupt nichts wissen. Die Versuche, ein griechisches Gymnasium in Israel zu etablieren, wurden ja bereits von den Makkabäern mit Feuer und Schwert bekämpft. Also ziemlich schwierig, die Guten und die Schlechten in jener Epoche eindeutig zu klassifizieren.
Ich denke, wäre es nicht das Christentum gewesen, dann wäre halt stattdessen der Mithras-Kult oder irgendeine hybride Form von Horus-Erlöserkult Weltreligion geworden. Es muss wohl ein grundlegendes Bedürfnis gegeben haben nach Verdunkelung in jenen Zeiten…
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Nun, das Peinliche an der Sache für die Römer ist ja, dass die als Sektiererland bekannte Müllkippe an der Schnellstrasse Alexandria-Babylon unbedingt haben wollten. Selbst schuld, würde ich mal sagen. Ausserdem haben sie die sadduzäer, die anpassungsbereite grosse Mehrheit nicht genug unterstützt, und dann gibt es halt mal ein paar Extremisten, die einen Heiland 40 Jahre nach seinem angeblichen Leben erfinden und eine kleine, hocheffektive Terrorbewegung draus machen. Irgendwann finden sie dann Zugang zu einem Obermacker, der aus politischen Gründen für einen Bürgerkrieg ihre Unterstützung braucht, und der es cool findet, dass die im gesamten Reich, auch da, wo er nicht herrscht, ihre Zellen haben. Dann übernimmt er die ganze Chose, und seine Erben erkennen, dass in zeiten nachlassender militärischer Stärke ein wenig Glaubensunterdrückung auch ganz hilfreich ist –
aber um das gleich klarzustellen: WIR können da überhaupt nichts dafür! Wir haben uns immer dagegen gewehrt, und seitdem die ihre komischen Heiden auf den Bäumen da in Teutonien angeheuert haben, sind das auch keine mehr von uns! man kann uns ja viel vorwerfen, Hostien von mir aus, aber NICHT diesen Laden.
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Ebenso, wie der Körper an sich leiden kann, leidet auch der Geist zuweilen an sich selbst, und den Überdruss an der Zivilisation teile ich zwar nicht, er entzieht sich aber auch nicht meinem Verständnis. Dass die Antike nur licht, froh und geistvoll gewesen sei, entspricht nicht mit meinem Bild dieser Epoche, an der wir, Don Alphonso, möglicherweise unterschiedliche Aspekte schätzen. Gerade das Schweflige, die Ambivalenz, die Kompliziertheit, das Brutale und gleichzeitig hochgradig Veredelte ist es, was für mich den Reiz der Antike ausmacht, und ich sehe in Augustinus ebensowenig nur den Ideologen, wie ich Brecht die Verbrechen des Kommunismus zur Last legen möchte. Dass Augustinus, der sich bewusst und in Kenntnis dessen, was dem Christentum zum Opfer fallen würde, gegen eine moralische Indifferenz zugunsten stilistischer Rafinesse und allgemeinem menschlichem Interesse wenden würde, gehört dabei zu den vermeintlichen Paradoxa, die auf schlichten Wahrheiten beruhen, wie derjenigen, dass die Toten stumm sind und bleiben. Seiner Werkgeschichte hat keiner in der Hand.
Dass, Herr Mark, statt des Christentums irgendeine beliebige andere Religion die Vorherrschaft gewonnen hätte, entspricht auch meiner Annahme, und auch jede andere Religion wäre wohl der Versuchung unterlegen, sich die Apparatur des Römischen reiches anzueignen. Das Zeitalter muss einen starken Wunsch nach Selbstaufgabe besessen haben, einen Ekel an sich selbst, den Wunsch nach einer Hingabe an etwas Zwingendes, Absolutes, einem Sinn, der die Form nach sich zieht.
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Man beneidet ja wohl nicht zu Unrecht manchmal den einen oder anderen Kretin um seinen Glauben, mit beiden Beinen fest auf dem Grund einer Welt zu stehen, deren Schwanken und Zittern man mit jedem Atemzug spürt, ohne von diesem Gespür irgendetwas zu haben. Das Glück der Bewusstlosigkeit jenseits der Suche nach Erkenntnis, Herr Burnston, kann ich mir deswegen nach dem ersten Biss in den Apfel des Zweifels kaum vorstellen: Vielleicht gewinnt man die Pose des naiven Glaubens zurück, aber hinter den Toren der selbstgewählten geistigen Beschränkung wartet kaum das Paradies.
Wahrheit, Herr Kid, zumindest sofern sie über pure Richtigkeit im faktischen Sinne hinausgeht, ist ja generell eine Sache, deren Auffinden durch´s Suchen nicht wahrscheinlicher wird. Ein lächelndes Achselzucken, ein heiter-resignatives Zurücklehnen und die Anerkennung der Tatsache, dass das, was wir suchen, immer woanders ist, ist etwas, um das ich einiges gäbe. Vielleicht finden Sie ja, was auch immer Sie suchen, am Strand: das Meer sieht aus, als verberge sich unter seiner Oberfläche alles, was man sucht und an Land nicht finden wird.
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Der Turm stürzt ein, Hallelujah!
Na ja, zumindest war Augustinus nach seiner Bekehrung der
Frauenhasser par excellence, einer, der die manichäische
Fleischesverachtung in ihrer radikalen Form erst für das Christentum
kanonisierte. Ich liebe ja was-wäre-wenn-Szenarien: Vor Konstantin
fuhren das Christentum und der Mithras-Kult ein Kopf an Kopf-Rennen.
Was wäre, wenn Letzterer sich durchgesetzt hätte? Stiergehörne statt
Kruzifixe an den Wänden bayerischer Amtsstuben, Stierkämpfe als Gottesdienst
in unterirdischen Arenen und keine christliche Sexualmoral, sondern
fröhliches Durch-die-Gegend-<zensiert>.
@mark: Die Strukturen von Degenerationsepochen am Ende hoher Kulturen
ähneln sich meistens. Die Spätantike wiederholte Muster der pharaonischen Spätzeit;
in Zeiten, in denen Pharaonenmumien verkauft wurden, statt als Gottheiten verehrt,
und wo es Mumienfälscher gab, die an diesem Geschäft profitieren wollten, da war man
einfach reif für die Eroberung durch die Sadisten aus dem Nordosten (Assyrien) und
die religiösen Fanatiker aus dem Lande, wo der Pathologe gerade weilt (Kusch). Um
die Fremdherrschaften abzuschütteln, brauchte man bereits fremde Hilfe, die eines ganz
jungen Volkes, der Griechen. Als die Perser kamen, gab es nichts von der alten Welt, das
sich ihrer puren Zahl, ihrer militärischen Stärke, ihrer rationalen Effizienz entgegenstellen
konnte. Der alte Buddha lebte in einer in ihrem eigenen Überdruss erstickenden alten
Zivilisation, die längst sturmreif war für den klirrenden Stiefeltritt und Hufschlag der
Heerscharen Tschandraguptas.
Konfuzius lebte in einer Zeit der Konfuzion, nein Konfusion am Vorabend der
totalitären Gewaltherrschaft Chin Chi Huangtis, seine Lehre rettete die Prinzipien einer
Welt, die zu seinen Lebzeiten bereits in Agonie lag, in künftige Welten hinüber.
Die italienische Renaissance erlebte ihren Höhepunkt,
als nicht mehr die ehrwürdigen Famiglias, sondern die Kriegsschiffe der Portugiesen
und Spanier, bald die Piratenschiffe der Engländer und Holländer das europäische Geschehen
bestimmten und in ein Weltgeschehen verwandelten. Das British Empire hatte seine
goldenste Phase, als es in den Kolonien gewaltig krachte und als die Teutonenflotte sich
anschickte, die Götterdämmerung herbeizuführen. Und in genau dieser Zeit schrieben
Wild, Shaw, Poe, Joyce.
Wer weiß denn, ob unsere Zeit nicht künftigen Jahrhunderten als das Dahindämmern
des Spätkapitalismus kurz vor der großen Explosion gelten wird?
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Interessanter Gedanke. Wenn wir abendländische Zivilisation mal nicht mit Kapitalismus gleichsetzen, dann kriegen wir mühelos die Kurve zu Oswald Spengler und seinem Untergang des Abendlandes. Darüber hinaus gibt es eine astrologisch-esoterische Lehre von Zeitaltern. Nach der markierte Jesus und der Siegeszug des Christentums den Übergang vom Zeitalter des Stiers ins Zeitalter der Fische (man erinne sich an den Fisch als an das Erkennungssymbol der frühen Christen, das Kreuz als Logo machte ja erst nach Konstantin Karriere). Man kann für so ein Zeitalter rund 2160 Jahre veranschlagen – das entspricht einem Zwölftel der 26.000 Jahre, die die Kreiselbewegung der Erdachse für einen Umlauf braucht. Die Bewegung geht rückwärts durch den Tierkreis, demnäch wäre als nächstes also das Zeitalter des Wassermanns dran, und das ist in der Hippie- und Eso-Folklore ja schon ausführlich besungen worden.
Demnach hätte das Christentum also nicht mehr allzulange Zeit, die vorherrschende religiöse Strömung auf diesem Planeten zu sein. Erinnern wir uns im Zusammenhang an die Papst-Prophezeiungen des Malachias, wonach es nach dem amtierenden Papst nur noch einen Nachfolger geben wird, dann passt das schon einigermaßen zusammen.
Aleister Crowley hat die Abfolge der Zeitalter ähnlich bemessen, allerdings hat er eine andere Skala gewählt. Ihm zufolge folgte auf das Zeitalter der Isis (Matriarchat) das des Osiris (Patriarchat, wie es von den Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam verkörpert wird). Als nächstes steht nach Crowley dann das Zeitalter des Horus an, das die Gegensätze der vorigen auf einer höheren Ebene vereint.
Man darf im Übrigen davon ausgehen, dass diese Dinge den Oberen im Vatikan durchaus bekannt sind.
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@Mark: Um den interessanten Gedanken fortzuspinnen:
Damit wären wir jetzt bei „Illuminatus!“: It is the dawning of the Age of Bavaria
(mit Heavy Metal -Rhythmus zu spielen), Bavaria, Bavaria! In Ingolstadt wird
das Eschaton immanentisiert. Die Göttin steigt vom Himmel herab.
Hail Eris, hail Discordia!
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Ähm,
à propos Ingolstadt – was macht der Don dort nochmal genau? ;-))
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Man sagt ihm nach, er beschäftigt sich mit Dingen,
die nicht ausgesprochen werden dürfen;-)))
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„Das Zeitalter muss einen starken Wunsch nach Selbstaufgabe besessen haben, einen Ekel an sich selbst, den Wunsch nach einer Hingabe an etwas Zwingendes, Absolutes, einem Sinn, der die Form nach sich zieht.“ – Darf ich raten, Frau Modeste, Sie spielen mit dem Gedanken, diese Überlegung auf unser Zeitalter zu übertragen, wie das auch der Herr Che ausführte? Vielleicht sind das aber bloss meine eigenen Gedanken; jedenfalls scheint mir dieser Wunsch, den Sie so trefflich beschreiben, auch heute allenthalben feststellbar.
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Es war eben jener Ekel, gepaart mit Sehnsucht nach dem Großen und Absoluten, der die begeisterten Bürgersöhne der Wandervogelbewegung mit dem Deutschlandlied auf den Lippen in
das Schlachten des Ersten Weltkriegs führte. Im Übrigen: Dies ist eine
anthropologische Grundkonstante, nachzulesen beim ollen Siggi in „Das
Unbehagen in der Kultur“.
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Der Überdruß der Zivilisation an sich selbst mag, wie überhaupt der Selbsthaß, sicherlich eine menschliche Konstante sein. Dass die Folgen dieses Unbehagens nicht nur im Kontext des ersten Weltkrieges äußerst unangenehme Formen annehmen können, versteht sich dabei natürlich von selbst – Selbsthass ist ja selten eine angenehme Sache. Ein rundum bejahendes, selbstzufrieden affirmatives Verhältnis zu der Welt, die einen umgibt, scheint mir indes auch nicht als der Königsweg, die Wahrheit liegt hier, wie so oft, vermutlich in der Mitte, die ja nicht umsonst gerne „golden“ genannt wird.
Mit historischen Parallelen ist es ja so eine Sache, Ähnlichkeiten bedingen nicht zwangsläufig einen identischen Geschehensverlauf, aber die Neigung zur Spätantike und anderen Seacula auf der Neige zum Umbruchfaszinieren uns sicherlich nicht zuletzt durch das Bewusstsein, selber einer Übergangszeit angehören. Indes – im Bewusstsein einer Spätzeit lebt wohl fast jede Generation der Moderne und Postmoderne, und Übergang ist immer.
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Ich kann Ihnen beiden nur zustimmen (und das ist schön). Der Selbsthass der Gesellschaft ist sicherlich eine Konstante, und gleichzeitig treibt er sich immer wieder zu Exzessen, zu Ausbrüchen; und diese Ausbrüche aus dem Morast der dekadenten Tradition werden stets begleitet von einer Stimmung des Aufbruchs. Man glaubt eine Zeit lang, durch komplette Abstossung der Vergangenheit könne man in relativ kurzer Zeit zum Guten gelangen.
Ich glaube, die Abwechslung zwischen den Zeiten der relativen Liebe und des Hasses gegenüber den gegebenen Verhältnissen läuft in etwa so, dass eine bestimmte Periode an ihrem Anfang von konkretem Zukunftsglauben auf der Basis des Herkömmlichen und Dagewesenen geprägt ist, dass sie am Ende aber durch Stagnation, Saturiertheit und Übererfüllung von einer neuerlichen Abstossung der eingeschlagenen Wege und einer Suche nach dem neuen Richtigen überrollt wird, weil sie die noch prägenden Strukturen in ihrem Zustand leicht erwischen kann.
Es geht weniger um historische Parallelen oder das protoesoterische „Geschichte wiederholt sich“ als um historisch vergleichbare Vorgänge. Und ganz bestimmt ist es für uns am ergiebigsten, wenn wir die goldene Mitte suchen. – „Übergang ist immer“, das ist sehr trefflich gesagt! Brüche und sogar Revolutionen werden letztlich erst von der Geschichtsschreibung definitiv konstruiert, und darum können wir über unsere Zeit zwar munter mutmassen, aber wir werden es leider nicht mehr erfahren. Immerhin können wir es so ein wenig zu lenken versuchen, das zeigt die Vergangenheit: Die Selbstbeschreibung einer Zeit hat noch fast jeden Historiker teilweise inspiriert.