Ich weiß es nicht

Letzte Woche habe ich wieder eine getroffen: Eine meiner Mitschülerinnen mit besserem Abi als ich. Das ist nicht so besonders schwierig, das mit dem besseren Abi, denn ich war eine berüchtigte Katastrophenschülerin, eine Schwänzerkönigin und Langschläferin, und deswegen hat nahezu jeder ein Abi, das besser ist als meins.

Gebracht hat es den anderen Mädchen aber irgendwie nichts.

Ein Teil ist erst einmal eher so seiner inneren Berufung gefolgt. Die haben dann also Romanistik studiert, Psychologie oder evangelische Theologie. Da wurden unglaubliche Mengen an Herzblut in Magisterarbeiten gesteckt und nie über die Frage nachgedacht, was man eigentlich später mal so macht. Ich möchte schwören, Überlegungen wie die, keinen Chef zu haben und wirklich große Räder zu drehen, soviel zu verdienen, dass man eine Villa im Grunewald kaufen kann, oder einen Haufen Leute springen zu lassen, wenn man einmal laut hustet, spielten da keine Rolle, und heute haben die Mädchen von früher meistens ein paar Kinder und einen Halbtagsjob. Natürlich fachfremd. Der ist meistens schlecht bezahlt und in der Hackordnung der Firma, um die es geht, nicht so sonderlich angesehen, was bedeutet, dass man sehr selten machen kann, was man selbst will, und ziemlich oft machen muss, was andere Leute wollen.

Das Orchideenfach allein scheint an dieser Entwicklung allerdings unschuldig zu sein. Mein Gott, der Historiker J.2 reist als Unternehmensberater durch die Lande, der Historiker F. hat sich habilitiert. Der Theologe G. ist nach zwei Jahren als Vorstandsassistent in einem ziemlich großen Laden nun Herr einer ganzen Abteilung von Ingenieuren. Warum die Mädchen sich da einfach nie beworben haben? Ich weiß es nicht.

Ich weiß auch nicht, was mit den Juristinnen und Medizinerinnen los ist. Die hatten doch alle gute Examen. Ein Teil hat dann noch ganz ordentlich promoviert. Ein paar Jahre lang lief auch alles ganz gut. Aber dann traf man sich ein paar Jahre später, und der S. war Junior Partner einer Kanzlei, und die K. war immer noch Fußvolk. Der B. wurde Leiter einer Forschungsgruppe, und die F. forschte immer noch befristet für einen egomanen, alten Prof. Was in der Zwischenzeit schief gelaufen ist? Ich weiß es auch nicht. Ich kann es mir nicht einmal richtig vorstellen. Ich weiß nur das: Ich bin mit diesen Leuten jahrelang zur Schule gegangen. Ich wei0, sie sind ungefähr gleich intelligent und gleich belastbar. Wieso die Männer Karrieren machen und die Frauen nicht? Ich weiß es nicht.

Die meisten der Mädchen aus meiner Klasse haben Kinder. Meistens arbeiten sie vor dem ersten Kind ebenso viel wie die Väter dieser Kinder, und meistens ebenso qualifiziert. Oft verdienen sie etwas weniger, das liegt zum einen an dem üblichen Altersunterschied von drei, vier Jahren, der sich wegen der unterschiedlich langen Berufserfahrung dann oft in unterschiedlich hohen Gehältern niederschlägt. Zum anderen liegt es an der schlechten Bezahlung in vielen Jobs, die Frauen gern machen. Eine Museumspädagogin verdient halt weniger als ein Anwalt.

So arm, dass sie sich eine Aufteilung der Elternzeit partout nicht leisten können, sind die meisten Familien aber nicht. Trotzdem wird die Elternzeit nicht hälftig geteilt. Angeblich gibt es in jedem einzelnen von sehr, sehr vielen Fällen gute Gründe, warum er gerade jetzt nur die beiden Vätermonate nehmen kann. Manchmal gibt es angeblich die Unternehmenskultur nicht her. Oder er ist gerade befördert worden oder will befördert werden und wird, wenn er mehr nimmt, nie wieder befördert. Dann nimmt sie also zwölf Monate (bei jedem Kind), dann wird sie eben nie wieder befördert, und wenn sie befristet gearbeitet hat, läuft ihr Vertrag irgendwann aus. Das war es dann. Der nächste Job ist selten besser. Diese Entwicklung ist absehbar. Warum die Frauen trotzdem nicht auf einer Halbteilung beharen? Ich weiß es nicht.

Ich weiß, dass es viele Ansätze gibt, das Verhalten der Frauen zu erklären. Vielleicht hat es etwas mit gesellschaftlichen Leitbildern zu tun, die man ändern sollte. Oder es beruht auf individuellen Schwerpunktsetzungen, gegen die man wenig sagen kann, weil schließlich jeder selbst wissen muss, was er mit seinem Leben anstellt. Letztlich weiß ich nicht, wieso Frauen entscheiden, wie sie es tun. Was ich aber weiß: Fast alle dieser Entscheidungen von Frauen gegen Macht, Geld und gute Jobs führen zu schlechteren Arbeitsbedingungen, als man sie haben könnte, zu wirtschaftlicher Abhängigkeit von einem Partner und zu weniger Freiheit, eigene Ideen umzusetzen und zu tun, was und wie es einem beliebt. Für mich wäre das nichts. Ob für die anderen? Ich weiß es nicht.

38 Gedanken zu „Ich weiß es nicht

  1. Treffender Post – ich weiß auch nicht, wieso Frauen so entscheiden, wie sie es tun. Von Verständnis rede ich gar nicht erst. Ist mir aber auch egal.

    Für mich kann ich sagen, ich lebe beides: Familie und einen Job, den ich mag und der auch nicht schlecht bezahlt ist. Und natürlich ging der Gatte in Elternzeit. Auf Dauer wird er generell weniger arbeiten, damit ich wieder ranklotzen kann. Ganz ehrlich? Nur Krabbeldecke macht mich kirre.

  2. Ich finde, oft wird eine angeblich „individuelle Schwerpunktsetzung“ vorgeschoben, um schlicht der Grundsatzdebatte zu entgehen. Erfrischend nuechterne Analyse, jedenfalls. Frau Schwarzer wuerde Ihnen fuer diesen Beitrag sicher eine Kusshand zuwerfen.

  3. ich weiß es auch nicht

    ich weiß nur, dass sie – wenn sie in der spannenden lage sind, ungefähr das doppelte wie ihr männlicher partner zu verdienen – ganz pragmatisch die rollen umkehren WOLLEN. und dass sie, wenn er denn gar kein einkommen mehr hat, die rollen umkehren MÜSSEN. und dass sich das auch ganz interessant lebt.

  4. Als Mann kann ich sagen, dass es Schulkollegen (alles Männer) mit einem schlechteren Abi gab, (schließlich hatte ich eine 1.0 Matura) die im Leben möglicherweise mehr erreicht haben als ich.
    Für mich zählt nur, dass mich meine Arbeit so interessiert hat, dass ich 95% davon auch gemacht hätte, wenn ich nichts dafür bekommen hätte – und es mir hätte leisten können.
    Ich kenne genügend Frauen, die Karriere geschafft haben. Und ihre Haltung war ähnlich wie die von Männern, die es geschafft haben.
    Und die, die nicht so viel Geld verdient haben, waren zumindest glücklich mit ihrem Job und ihrem Leben.
    Die Frage ist doch, was ich vom Leben erwarte und was ich dafür zu leisten bereit bin. Und Frauen, die Kinder erziehen, leisten mehr als jede Karrieretussi, sobald es sich herausstellt, dass die Kinder glücklich werden und nicht in eine Drogenszene abrutschen.
    Ich bin, was ich bin, weil meine Frau zu Hause „gearbeitet“ hat. Vorher Krankenschwester, nachher Krankenschwester. Und da geht es nicht um Karriere. Meine Frau kann auf meine Karriere genauso stolz sein wie ich, weil ich es ohne sie nicht geschafft hätte. Möglicherweise macht eine Ehe sogar Sinn:)

  5. REPLY:

    Die „Karrieretussi“ ist vermutlich genauso abfällig gemeint, wie es sich anhört. Das zeigt aber auch, wie Sie tatsächlich zu Frauen in gehobenen Positionen stehen: Ihre Präferenz gilt offenbar einer klaren Aufteilung, bei der die Frau zu Hause bleibt, Kinder daheim erzieht und ihren Mann unterstützt (solange der sich unterstützen lässt und nicht etwa eiune neue Unterstützerin sucht …).

    Dass ich eine solche, letztlich immer sekundäre und wirtschaftlich abhängige Position nicht als wünschenswert ansehe, können Sie sich vorstellen, und sofern man „stolz“ auf eine Karriere sein kann, so ziehe ich Stolz auf eine eigene Karriere vor. Ich kann mir zudem wenig Öderes vorstellen als als unbezahlte Putzfrau, Krankenschwester und Kindergärtnerin meine Tage zu fristen. Was die Kinder angeht, habe ich nicht das Gefühl, dass ein Hausmütterchen als Mami zu einem besseren Gedeihen beiträgt. Meine Mutter hat (zuletzt als Geschäftsführerin) immer gearbeitet. Ich fand das immer super, ich hatte und habe für die Glucken unter den Müttern nicht so arg viel übrig.

  6. REPLY:

    Respekt. Da sind Sie und der J. ziemlich allein auf weiter Flur. Ich kenne überhaupt nur ein Paar, die das auch so durchgezogen haben. (Allerdings stimmte er erst zu, nachdem sein Versuch, Gehaltserhöhung oder Beförderung durchzudrücken, gescheitert war und er mit eingezogenem Schwanz in die Na-dann-versucht-es-eben-ohne-mich-Elternzeit ging.)

    Ich stelle mal eine provokante These in den Raum von Madame: Könnte es sein, dass Männer in 90% aller Beziehungen schlicht den Löwenanteil des Familienbudgets eintreiben und deshalb lieber kein Risiko eingehen wollen?

  7. REPLY:

    Ich kenne einige Paare, die sich so aufgeteilt haben. Das ist, meine ich, eine Frage, die man verhandeln kann. Die meisten Frauen verhandeln nur nicht.

    Was die Einkommensunterschiede angeht, so bestehen die meist schon. Sie sind aber nicht so groß, dass man da wirklich voin Löwenanteilen sprechen kann. Eher geht es um die Differenz, die durch den Altersunterschied und manchmal durch die besch… Berufswahl von Frauen ausgelöst wird. Die meisten Frauen – das ist meine Privatmeinung – lassen sich zu schnell ins Bockshorn jagen. Wenn sie mehr fordern würden, würden sie mehr bekommen.

  8. REPLY:

    Ich habe den Ausdruck Karrieretussi deswegen gewählt, weil ich die Verachtung spiegeln wollte, die normalerweise den „nur-Müttern“ entgegengebracht wird. Wer sagt denn, dass meine Frau „unbezahlt“ als Krankenschwester gearbeitet hat?
    (Der Ausdruck Mami ist in dem Kontext übrigens genauso despektierlich:)

    Ein bisschen muss ich ja schmunzeln. Meine Frau wollte weder heiraten noch Kinder kriegen. Aber als die Kinder dann da waren, entwickelte sie sich auf einmal zur Supermutter. Und es ist ihr Verdienst, dass unsere drei Kinder heute glücklich, mit Job und in guten Beziehungen sind.

    Ich verstehe sehr gut, dass man als Frau auch auf eine eigene Karriere stolz sein möchte. Und das kann ja auch durchaus klappen. Allerdings hat meine Schwester, die ebenfalls drei Kinder hat, neben ihrer Ärztinnenkarriere immer Kindermädchen benötigt, während wir nicht einmal die Oma in Anspruch genommen haben, weil wir nicht wollten, dass unsere Kinder einfach vor den Fernsehapparat gesetzt werden.

    Das mit dem Stolz ist so eine Sache. Meine Frau würde die Frage, worauf sie stolz ist, eher mit Unverständnis beantworten. Für mich hat sich erst in den letzten Jahren der Stolz dahingehend entwickelt, dass ich froh bin, wie wir als Familie reüssiert haben. Und da ordne ich wesentlich mehr Verdienst meiner Frau zu.

    Im Übrigen kann ich mich glücklich schätzen, dass ich genügend Geld verdient habe, als unsere Kinder gerade in der Schule waren. Das ist heute keine Selbstverständlichkeit. Ich kenne mittlerweile auch Paare, bei denen beide Teilzeit arbeiten, um sich auch die Arbeit zuhause aufzuteilen. Das halte ich für durchaus verständlich.

    Meine Haltung den „Karrierefrauen“ gegenüber basiert allein auf der Wertschätzung, die ich ihren beruflichen Fähigkeiten zuordne. Und ich finde es schade, dass gerade in meinem Berufsumfeld zu wenige Frauen unterwegs sind. Aber wie gesagt: die Bezeichnung Tussi war deswegen gewählt, weil die „nur-Hausfrau“ so geringschätzig betrachtet wird.

  9. REPLY:

    Die Frauen meiner Generation, die eine Berufskarriere gewählt haben, haben das auch schon vor Schwarzer geschafft. (Siehe meine eigene Antwort hinsichtlich meiner Schwester.)
    Traurig ist allerdings das Schicksal meiner Tante, die emanzipatorisch ihrer Zeit weit voraus war und als Architektin in Wien in einer reinen Männerdomäne gearbeitet hat. Das hat ihr letztlich sehr geschadet.

  10. REPLY:

    ich finde die geringschätzung der „nur-hausfrau“ [alleine schon der begriff, dagegen ist neger ja ’ne streicheleinheit] ebenfalls zum kotzen. da wird schließlich der grundstein für das gelegt, was später durch kindergärten und schulen über die zukunft unseres landes entscheidet. da wir nun mal nicht mehr besonders viele rohstoffe fördern, sind kinder und ihre wichtigsten ersten jahre unser einziger rohstoff. und ich ziehe meinen hut vor den frauen die diesen job tagtäglich machen. der ist nämlich – ohne urlaub und die möglichkeit sich mal krankschreiben zu lassen [am allergekniffensten sind hierbei natürlich die alleinerziehenden] – verdammt anstrengend und wird zum dank gerne, thema „nur-hausfrau“, auch noch von oben herab betrachtet.

    p.s.: „karrieretussi“ ist für das thema vielleicht etwas ungünstig gewählt, aber das soll ja nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sie gibt. ebenso wie die „karrieremuschi“, ihr männliches pedant. grundsätzlich gilt für beide: sie wollen es unbedingt, aber sie können es nicht. was wiederum nicht heißt, dass sie beim eindringen in einen angespannten anus nicht auch mal nach oben flutschen …

    aus meiner erfahrung muss ich leider sagen, dass die benachteiligung der frauen im beruf – die es de facto unbestritten gibt – im führungsbereich u.a. leider auch indirekt hausgemachte ursachen hat. „frauen“ [-> schublade] neigen in den wirklich kritischen situatioen in denen es tatsächlich um alles geht zu … was auch immer, aber selten zur ruhe. das ist leider meine erfahrug. ferner wirken die, die es in führungspositionen geschafft haben oft sehr sehr angestrengt [„erfüllung von erwartungen“]. ich will’s nicht weiter ausweiten, ich denke es ist ’ne erziehungsfrage [und die art von erziehung, die das negativ fördert wird sich privat und gesellschaftlich noch lange halten]. wirklich lässige frauen wie angela merkel oder birgit breuel habe ich in meiner berufswelt nur sehr sehr selten getroffen. die waren dann aber auch wirklich großartig.

    grundsätzlich ist einfach jeder gehalten, an den umständen etwas zu ändern. in meinem büro arbeiten 60% frauen – und die werden selbstverständlich nach ihrer leistung – und nicht nach ihrem geschlecht bezahlt. ebenso hätte ich nie probleme damit, den hausmann zu mimen. in meinem bekannten- und freundeskreis gibt es davon immerhin schon zwei, die ihre gut bezalten berufe an den nagel gehängt haben, weil die frau noch besser verdient.

  11. REPLY:

    Ich glaube ja weder, dass es Kindern gut tut, jahrelang mit ihrer Mutter zu Hause zu bleiben, noch dass es Frauen gut tut, sich ausschließlich Haushalt und Kindern zu widmen. Ich frage mich auch, wie die das aushalten. Was für ein mieser Job. Mir würde da eine ganze Menge fehlen: Spannende Projekte, Kontakte, kollegialer Wettstreit, der ganze Betrieb. Zudem würde sich mir immer die Frage stellen, ob Familie und Haushalt wirklich solche Opfer verlangen. Schließlich haben andere Leute auch wohl geratene Kinder, saubere Wohnungen und etwas Gutes zu essen, ohne sich fortan über Kuchenrezepte und PEKiP austauschen zu müssen.

  12. REPLY:

    Entscheidend ist doch, Herr Steppenhund, dass man sich gerade nicht entscheiden muss, sondern – wie jeder Mann im Übrigen auch – Kind und Job, Mann und Freunde zu einem runden, ganzen Leben vereinbaren kann.

  13. REPLY:

    Da bin ich durchaus zwiegespalten. Ich denke, dass Frauen oft schlechter verdienen, weil sie schlecht verhandeln. Was die Neigung von Frauen zu schlecht bezahlten Berufen angeht, so frage ich mich aber auch immer wieder, warum Frauen solche Jobs ergreifen.

  14. REPLY:

    (Als Mann fände ich übrigens Nur-Hausfrauen auch super. Ist doch toll: Eine Haushälterin, die ohne Urlaubsanspruch oder eigene Sozialversicherung den ganzen Tag Dinge tut, auf die ich absolut keine Lust habe. Ich muss dafür eine Putzfrau bezahlen und eine Ganztagskita finden.)

  15. REPLY:

    Dass Kinder lange im Hotel Mama wohnen, halte ich auch nicht für besonders gescheit. Aber meine Kinder sind bis auf die Jüngste sofort nach der Matura ausgezogen. Meine ältere Tochter hat noch ein kleines Auslandsjahr in Genf unternehmen und war die erste H. mit einem eigenen Schweizer Bankkonto:) Danach hat sie dann Jus studiert, um später etwas ganz anderes zu machen. Das ist auch die, welche sechs Sprachen spricht.
    Die Frage, wie jemand das aushält, kann ich durchaus nachvollziehen. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass meine Frau sich nie die Opferfrage gestellt hat. Ich erinnere mich, wie sie einmal richtig wütend wurde, als ein damaliger Untermieter von uns eine Vermutung in dieser Richtung an sie gestellt hat. Ich weiß nicht, was PEKiP bedeutet.
    Aber in der Waldorfschule und auch schon im Kindergarten sind die Eltern recht stark eingebunden und da gibt es sowohl Projekte als auch soziale Kontakte.
    Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es nicht jedermanns Sache ist.

    Mit meinem heutigen Wissen würde ich selbst mehr zuhause bleiben und mich meinen Kindern widmen. Na, wenigstens macht das mein Sohn, der jetzt auch drei Kinder hat, anders als ich. Aber ich muss jetzt etwas ganz anderes loswerden. Die Elternrolle ist eine ganz wesentliche und vermutlich wesentlich wichtiger als alles was man im Beruf so macht. (Das sage ich, obwohl ich in Krebsforschung und Chromosomenforschung immer gedacht, dass es sehr wichtig ist, was ich gemacht habe.) Aber wenn ich heute die Bildungsdebatten anhöre, dann KITA-Programme sehe, wo die Dreijährigen bereits Chinesisch lernen, damit sie für das Berufsleben fit sind, die Alten möglichst rasch abgeschoben werden und dann die erst Dreißigjährigen über Burnout klagen, dann finde ich für alles nur einen gemeinsamen Nenner: die Kinder schiebt man ab und wundert sich, dass sie dann keinen Spass am Leben haben. Und gerade der Artikel, der sich heute bei mir findet, spricht mir aus der Seele. Kinder sind hochbegabt und werden durch falsche Erziehung kaputt gemacht.
    Im übrigen fände ich eine Frau am besten, die neben ihrem Mutterdasein noch einen Doktor oder PhD in Mathematik oder Physik hätte. Ich habe da einige kennengelernt, vor denen ich nur den Hut ziehen kann. Also man kann schon beide Leben leben. Und das sind dann die wirklich attraktiven Frauen.

  16. REPLY:
    Nachtrag

    Ich habe jetzt unmittelbar meine Frau darauf angesprochen. Die erste Zeit hat sie schon als schlimm empfunden, weil sie doch sehr allein war. Das Verhältnis zur Schwägerin war nicht so besonders (ganz unterschiedliche soziale Einbettung) und mit meiner Mutter vertrug sie sich zwar, konnte aber deren Erziehungsmuster aus dem „quasi vorvorigen“ Jahrhundert nichts abgewinnen.
    Da sie aus Deutschland zugereist war, hatte sie nicht so viele „gute Freundinnen“ hier, doch ein paar gab es doch . Geändert hat es sich dann mit dem zweiten Kind und den Anfängen im Kindergarten.
    In der Zeit damals konnte ich es mir selbst aber absolut nicht aussuchen.

    „Von Opferrolle würde sie aber trotzdem nicht sprechen.“

  17. REPLY:

    Ich finde die Diskussion hier gerade sehr spannend und unterbreche nur ungern mit einem Zwischenruf.
    Mir kommt es allerdings mittlerweile so vor, als seien sich alle Diskutanten & -onkel sehr einig in ihren Einschätzungen, dass – egal welchen Lebensentwurf samt Aufgabenteilung sich ein Paar aussucht – hauptsächlich die gemeinsame Beschlussfindung zum Gelingen beiträgt.
    Demnach ist die ursprüngliche Fragestellung nach den Gründen fraulichen Zurücksteckens nur mehr sekundär. – Oder etwa nicht?

  18. Auch ich lese (anstatt höre) dieser Diskussion begeistert zu.

    Frauen im sogn. gebärfähigen Alter werden von Seiten der Wirtschaft „Steine in den Weg gelegt“, die sie daran hindern best. Positionen zu bekommen bzw. Karriere zu machen. Zugeben würde das natürlich niemand. Andererseits hat eine erst kürzlich veröffentlichte Studie nachgewiesen, dass Frauen mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, wenn Sie Ihr Geburtsdatum und ihren Familienstand (Mutter mit Kind) aus dem Lebenslauf weglassen.
    Ich hoffe, dass sich im Bereich Lebenslauf dauerhaft etwas ändern wird, dann hätten alle eine bessere Chance.

    ~Anja~

  19. Gerade muss ich Rezepte korrekturlesen, während mir diese Diskussion im Kopf herumschwirrt. Stoße auf den Rezepttitel „Matjes Hausfrauenart“ und frage mich, ob es in naher Zukunft „Matjes Karrierefrauenart“ und ähnliches geben wird.
    Nein, mal ernsthaft: Ist es nicht eine Errungenschaft, als Frau die Wahl zu haben? Ob Karriere oder nicht, ob mich richtig in den Job reinknien, für meine Rechte und mehr Geld kämpfen oder nicht, ob Kinder oder nicht, ob verheiratet oder nicht, usw. usf. Die Wahl zu treffen, ist dann doch meine Sache und herauszufinden, womit ich mich wohlfühle. Oder nicht?

  20. REPLY:

    @ steppenhund: danke für den link. der beitrag entspricht dem, was mir mein bauchgefühl immer schon gesagt hat. und die ehrliche einschätzung zuwenig zeit mit dem eigenen kind verbracht zu haben liest man in der generation meiner eltern [das errate ich jetzt mal] ja oft genug, das war bei meinem vater nicht anders. aber im gegensatz zu mir konnte der auch nicht zu normaler zeit [das ist bei mir so 18:00 bis 18:30] zuhause aufschlagen um sich ab 22:00 uhr ebenfalls zuhause an den schreibtisch zu setzen an dem ich auf mein weit entferntes büro zugreifen kann. außerdem habe ich als selbstständiger die wahl etwas zu reduzieren, was sicherlich – wie vieles in meiner lebenssituation – ein extremer luxus ist. wenn mein troll donnerstags beim kleinkinderturnen aufschlägt [im sinne des wortes] kann ich das fast immer einrichten und halte mir die zeit terminfrei. das ganze beruht aber – im gegensatz zu frau modeste – auf der einschätzung, dass mein wirklich zu 99% guter und von mir sehr geschätzter beruf im vergleich zum aufwachsen meines kindes insgesamt völlig sinnfreier nonsens ist. ich teile übrigens die einschätzung von abschieben bis burnout, das wird von land zu land in unserer nachbarschaft nicht von großen unterschieden geprägt sein. der drill der sich inzwischen von kita bis gymnasium wie ein roter faden zieht entspricht nicht dem, von dem ich glaube das es leistung hervorbringt. ganz im gegenteil, unsere umfassende freiheit war und ist unsere stärke [ ich = 68 geboren].

    @modeste: das kinder „jahrelang“ bei ihrer mutter zuhause bleiben hört sich länger an, als es in wirklichkeit ist. mit drei ist das thema ja irgendwie vorbei. und drei jahre vergehen schneller als man will denkt. ich habe relativ viele bekannte und freunde aus dem erziehungsbereich kita bis grundschule. privat sagen die alle das gleiche: das kind wird es überleben, aber ideal ist die abkoppelung nach ca. drei jahren, vorher nicht. das soll keine bewertung sein, es ist nur eine wiedergabe vom fachpersonal. mein vorstellungsvermögen reicht aus, um mir lebenssituationen auszudenken, in denen dieser weg überhaupt nicht praktikabel ist.

    als mann finde ich „nur hausfrauen“ übrigens überhaupt nicht super. die frau ist im gegensatz zur normal[!] arbeitenden frau abends oft ziemlich durch und genervt, da ein kind ab einem gewissen alter auch sehr anstrengend sein kann. der weg, dass sich da andere drum kümmern dürfen ist also eher der bequemere und leichtere. außerdem ist weniger geld in der haushaltskasse, weil ein verdienst nun mal weg fällt. was übrigens auch nicht ganz stimmt, ist die frage der sozialversicherung. zumindest wenn man verheiratet ist. ich glaube nicht, dass sich da seit meiner scheidung etwas dran geändert hat. den wegfall des versorgungsausgleiches haben wir selbst bei einigkeit und nur einer anwaltlichen vertretung kaum hinbekommen, da verstehen die gerichte überhaupt keien spaß.

    … aber zurück zum thema, was soll noch mal an der „nur hausfrau“ neben weniger geld, weniger zeit und höherer belastung für den mann so super sein?!

    am rande: wir sind zwei selbstständige mit kind. ganz anderes thema, aber was da bei der elternzeit abläuft ist den meisten überhaupt nicht bekannt. da ich in einer gbr arbeite war das elterngeld für mich ohne klage utopie, da der weg im gesetz nicht eindeutig geregelt ist. weil mein partner natürlich weiter geld einnimmt, was mir angerechnet würde sagt das amt natürlich, dass mir kein geld zusteht. das füllt seitenlange threads im internet und ist ein thema der sonderklasse an dem sich schon ganze kohorten von anwälten die zähne ausgebissen haben.

  21. REPLY:

    ich kenne zwei weibliche vorstände persönlich und aus den medien birgit breuel. alle haben zwischen drei und vier kinder. oder gertrud höhler, ein kind, alleinerziehend [sehr lesenswert zum hier diskutierten thema, da ziehe ich allein aufgrund der sehr stimmigen gesamtanalyse zutiefst meinen hut]. es geht also. ich sage nicht, dass es einfach ist, aber es wird ja auch nicht jeder mann vorstand [und es will ja auch nicht jeder]. die frage ist einfach nur, aus welchem holz man geschnitzt ist.

    [nichts desto trotz ist es für die meisten frauen immer noch steiniger]

  22. Ich finde den Beitrag (und die Diskussion) hier ganz wunderbar, vorallem weil hier (noch ) niemand mit Platitueden um sich wirft.

    Gestern gemeinsam mit dem Herrn O. eine alte „Mad Men“ Folge angeschaut, in der Don Draper einer Klientin (unverheiratete Karrierefrau – oh oh!) die Frage stellt, warum sie als gebildete Frau nicht verheiratet ist und stattdessen einen auf Karriere macht. Ihre Gegenfrage darauf: „warum muss ich mich als Frau ueberhaupt entscheiden muessen?“

    Das hat mir dann schon zu denken gegeben.

    Frau Modeste zieht als Beispiel Frauen mit Abitur und Uni Abschluss heran. Diese Frauen haben aus verschiedenen Gruenden den Sprung auf die Karriereleiter nicht so gut geschafft, wie die sie begleitenden Maenner. Vielleicht liegts ja wirklich an der Unfaehigkeit der Frauen, gute Gehaelter zu verhandeln. Vielleicht liegts an den gesellschaftlichen Leitbildern. Oder am mangelnden Ehrgeiz. Oder an der Liebe zu den Orchideenfaechern.

    Ich persoenlich denke, dass all dies schon wahr sein kann, dass aber die Karriereplanung bei Maennern und Frauen auch im 21. Jahrhundert immer noch einen gewaltigen Unterschied aufweist:

    Frauen mit Karriereambitionen muessen sich am Fusse der Karriereleiter entscheiden, ob sie irgendwann mal Kinder wollen oder nicht. Der Kinderwunsch muss naemlich mit der biologischen Uhr und der Karriere abgeglichen werden und das ist nicht immer so einfach. Frau mit Magistertitel ist zumindest 25, mit Doktortitel zumindest 28 wenn die Karriere beginnt. Viele Frauen wollen Kinder bevor sie 35 sind. Das bedeutet im besten Fall 10 Jahre um an der Karriere zu basteln, realistisch aber viel weniger. Dann kommt noch dazu, dass in vielen Firmen Frauen ab einem gewissen Alter ungern eingestellt oder befoerdert werden, wegen des natuerlich imminenten Kinderwunsches und weil das dann ja Arbeitsausfall bedeutet.
    Ich will damit nicht sagen, dass alle Frauen Karriere machen wuerden, gaebe es diese Probleme nicht. Es aber nun mal so, dass Maenner sich an keinem Punkt in ihrer Karriere diese Dinge ueberlegen MUESSEN. Und viele Frauen entscheiden sich bewusst oder unbewusst, beeinflusst von gesellschaftlichen Leitbildern oder von den Eltern oder von was weiss ich, fuer das geliebte Orchideenfach und gegen eine „Karriere“, weil das auch eine (un)bewusste Entscheidung pro zukuenftige Familie/Kinder ist. Why bother if you’re going to end up as a stay-at-home mum anyway?

    Denn: Die meisten Familien koennen sich in der heutigen Zeit zwei Karrieren nicht leisten. Hier in England kostet Unterbringung in der Tagestaette ca £400-600 pro Woche d.h. oft geht mehr als ein volles Monatseinkommen fuer Kinderbetreuung drauf. Da ist es oekonomisch vernuenftiger, dass die Frau (0der in manchen Faellen der Mann) zu Hause bleibt. Was wiederum das Aus fuer die Karriere bedeutet.

    Mir wurde nach Abschluss meines Doktorats mit 28 nahegelegt, mich JETZT sofort fuer oder gegen Kinder zu entscheiden. Sollte ich irgendwann Kinder wollen, solle ich mich gar nicht erst mit Ambitionen schmuecken, denn Kinder und eine Karriere in der cutting edge Forschung liessen sich nicht vereinbaren. Dieser Rat kam von meiner Chefin, die mit 43 das maennerdominierte Feld der HIV Forschung dominierte und mit 41 ein Kind geboren hatte, welches sie 4 Wochen nach der Geburt in der Krippe abgeliefert hatte, weil Supermutter und Karrierefrau eben doch nicht zusammengeht, und die sich deswegen immer mies fuehlte, egal ob sie sich gerade der Forschung widmete (und ihre Mutterpflichten vernachlaessigte) oder umgekehrt. Ihr Gatte widmete sich sowohl Forschung und Sohnemann und hatte keine vergleichbare Karriere, obwohl es an brain power sicher nicht gemangelt haette.

    Summa summarum: ich glaube, es liegt oft nicht am mangelnden Ehrgeiz oder Verhandlungsgeschick, sondern an der sozialen Struktur und dem festgefahrenen Bild, dass Frauen nicht in Fuehrungspositionen zu finden sind, weil sie den Maennern halt doch „irgendwie unterlegen“ sind.

    ps: ich bin aus der Forschung uebrigens ausgestiegen und jetzt freiberuflich als Fotografin unterwegs. Am Ehrgeiz hatte es nicht gemangelt (und das karrierefoerdernde Jobangebot hatte ich bereits in der Tasche), aber wie Herr Timanfaya schon angedeutet hat: der Gedanke, meine Lebensplanung 100% meiner Karriere unterordnen zu muessen, hat mir gewaltig Schaudern verursacht.

  23. REPLY:

    Ohne jetzt die genauen Details zu kennen, scheint es mit den Karrieren der Frauen in Norwegen besser zu stehen. (Das kann auch dem Erdgasvorkommen verdankt zu sein.
    Ich kann das Schaudern hinsichtlich der Unterordnung der Lebensplanung unter die Karriere durchaus begreifen. In einem Fall habe ich auch ein Karriereangebot aus familiären Gründen ausgeschlagen. Es war eine Professur in Singapore, ausgezeichnetes Gehalt. Meine Frau und meine damals nur zwei Kinder wären mitgezogen. Allerdings schreckte mich der Gedanke, dass die Kinder zwar in der dortigen Goetheschule untergebracht worden wären, wir sonst aber nur in „der feinen Gesellschaft“ bewegungsfähig gewesen wären.
    Singapore hatte mir während meiner beruflichen Trips ausgezeichnet gefallen und mein Schwager hatte mit seiner Frau sogar zwei Jahre dort gelebt. Aber der nahezu betäubende Materialismus, der in dieser Stadt in den Achtzigerjahren geherrscht hat, hat mich abgeschreckt. Meine Frau hätte sich dort absolut unwohl gefühlt.
    Aber den Zwang, mich auf alle Zeiten entscheiden zu müssen, hatte ich nicht.

    Beruflich hatte ich übrigens viel mit Karrierefrauen in Wissenschaft und Gesundheitsbereich zu tun, die es tatsächlich vereinbaren konnten, Karriere und Kinder zu vereinbaren. Eine der ersten – ich erwähne das wegen des Hinweises auf England – war eine britische Krebsforschering am St. Thomas Hospital. Die meinte sogar, dass ich noch einmal berühmt werden würde. Aber ich habe tolle Frauen kennen gelernt, in die ich mich ohne weiteres hätte verlieben können. Allerdings gab es da schon meine Frau;)
    Aber gerade in Kenntnis von den (statistisch vermutlich wenigen) Ausnahmen bin ich recht froh, dass wir unsere Lebensplanung durchziehen konnten. Und eines darf man ja auch nicht vergessen: selbst mit einem sehr guten Gehalt lebt man in Österreich mit drei Kindern, die man ordentlich aufziehen möchte, am Rande der Armutsgrenze. Zumindest nach statistischen Angaben. Also so leicht kann man sich die Entscheidund dann auch nicht machen.

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